Angesichts der beständigen Zuspitzung des aktuellen Geschehens scheint unsere Fähigkeit zu Leiden gründlich strapaziert zu werden. Es fühlt sich an, als seien wir seit vielen Monaten in einer Art verschärften Prüfungsphase. Derzeit sind wir jeden Tag gefordert, unsere Fähigkeit zu Mitgefühl, Respekt und Demut vergrößern. Gleichzeitig müssen wir unsere Authentizität und unsere Kapazität zur Liebe und Selbstliebe stärken. Vielleicht nehmen wir tatsächlich alle gerade an einem „Menschheitsexamen“ teil. Und das Prüfungsergebnis bestimmt unseren nächsten Evolutionsschritt.
Ein Chatgespräch mit einer lieben Freundin gab den Ausschlag für diesen Blogartikel. Sie findet es nämlich bedrückend und auch ermüdend, wie wenig Menschen hören wollen und können, dass man sich von seinen Ängsten und dem daraus resultierenden Leiden selbst befreien kann. Ich stimme ihr zu und fand, das Thema Leiden sei einen Blogartikel wert. Ich danke ihr für diesen Impuls.
Und ich habe als Illustration ein paar Zitate zum Thema Leiden gewählt. Sie spiegeln nicht unbedingt meine Haltung wider. Sie sollen lediglich zeigen, wie lange und tief das Thema Teil unseres Seins und auch unserer Kulturen ist.Denn das Leiden und sogar das Leiden am Menschsein ist längst ein literarischer Topos. Das kann ich hier nur streifen.
Leiden ist ein Superkleber
Für mich ist es immer wieder verblüffend, dass wir in einer Welt leben, in der Leiden in einem großen Maße Verbindungen stärkt und sogar gemeinschaftsbildend ist. Dagegen werden Gruppen, die einander in Spaß und Freude verbunden sind, gerne als oberflächlich und unverbindlich betrachtet.
Ich kenne Paarbeziehungen, deren primärer “Klebstoff“ des Miteinanders ihr gemeinsames Leid ist. Beispielsweise schwierige Eltern oder Kinder. Oder finanzieller Mangel oder Krankheiten. Ich weiß sogar von einigen Paaren, die sich in Selbsthilfegruppen gefunden haben. Ihr Hauptanziehungspunkt waren also Sucht, Missbrauch oder Krankheiten… Wenn ein Paar diesen nicht gemeinsam überwindet, läuft es Gefahr, dass es die verbindende Leidensquelle aufrechterhält, um die Beziehung zu erhalten.
Leiden an der Einsamkeit
Deswegen habe ich eine gewisse Abneigung gegenüber Dating-Plattformen. Auch wenn ich ein paar wenige Paare kenne, die tatsächlich einem passenden Partner begegnet sind. Doch ich weiß von noch mehr Menschen, die Pech hatten. Denn das große gemeinsame Resonanzfeld sind Einsamkeit, Mangel an Intimität, Sehnsucht und Bedürftigkeit. Und mit diesem Leid verdienen die Anbieter auch noch ihr Geld. Für sie sind suchende Singles weit rentabler als glückliche Paare. Energetisch gesehen, ist das eine ganz schwierige Grundlage für ein potenzielles gesundes Miteinander.
Aus meiner Sicht hätte eine gesundheitsförderliche Dating-Plattform einen anderen Ansatz. Das gemeinsame Resonanzfeld der Paare sollte in der Freude am eigenen Wesen, gesunder Selbstliebe und Lust am Teilen ihrer Leidenschaften liegen. Die Kompatibilität würde nicht durch irgendwelche Algorithmen berechnet, sondern würde durch einen Quantencomputer anhand der Namen und Geburtsdaten ermittelt. Und diese Plattform wäre selbstverständlich gebührenfrei! Sie würde sich durch freiwillige Spenden und/oder Werbung für Urlaub, Wellness, gute Restaurants, Fitnessstudios, Brautmoden und Hochzeitsplaner etc. finanzieren…
Leiden ist nicht nur gesellschaftsfähig, sondern moralisch wertvoll
Aber nicht nur viele Paare verbinden sich einträchtig im Leid gegen die böse restliche Welt. Leiden ist auch ein großer gemeinsamer Nenner in vielen Kulturen und Religionen. Die Wiener Kaffeehäuser sind berühmt für ihre prominenten Charaktere, die ihrem Leiden an der Welt auf unterhaltsame Weise Ausdruck verleihen. Sie schimpfen, nörgeln und klagen, dass es eine Freude ist.
Das einträchtige Jammern verbindet Menschen überall auf der Welt. Für solche Gruppen haben wir sogar das Wort „Leidensgemeinschaften“. Denn nur von jenen, die gleiches Elend erfahren haben, fühlen wir uns wirklich gesehen, verstanden und oftmals auch getröstet. Oftmals gibt es sogar einen subtilen Wettbewerb, wem es am schlechtesten geht. Das ist für alle Beteiligten sehr ergiebig. Denn jener, der am meisten leidet, darf sich als „Sieger“ wähnen, während die anderen das gute Gefühl pflegen können, nicht ganz so schlimm dran zu sein…
Die Tücken des Helfersyndroms
Glücklicherweise beschert es vielen Menschen großen seelischen und oft auch moralischen Auftrieb, dazu beizutragen, das Leiden anderer zu lindern. Doch auch das hat seine leidvollen Schattenseiten. Zum einen habe ich beobachtet, dass ein gewisser Groll entstehen kann, wenn derjenige, dem geholfen wird, nicht die rechte Wertschätzung und Dankbarkeit an den Tag legt. Damit ist die Hilfe kein selbstloser Akt mehr, sondern dient dem Aufpeppen des eigenen Selbstwerts. Manche gehen dabei so weit, dass sie sich selbst darüber vernachlässigen und regelrecht für den anderen „aufopfern“. Das kann u.a. in Krebserkrankungen münden. Diese sind im Übrigen völlig unabhängig davon, ob der Empfänger der Hilfe diese wertschätzt oder nicht.
Außerdem entsteht ein massives gefühltes Ungleichgewicht. Denn derjenige, dem geholfen wurde, hat keine Chance diese Zuwendung im gleichen Maß auszugleichen. Geben und Empfangen rutschen aus dem gesunden Gleichgewicht in eine mehr oder weniger subtile Machtdynamik. Dann hat der eine ständig das ungute Gefühl, er schuldet dem anderen etwas. Während der andere immer das Gefühl hat, ihm wird etwas geschuldet. Das macht beide unfrei und erzeugt Leiden! Zum bedingungslosen Geben gehört nämlich auch das bedingungslose Empfangen. Doch Empfangen fällt den meisten viel schwerer als Geben.
Vom Leiden anderer profitieren
Als Lebensberaterin habe ich eine ganze Weile damit gehadert, dass ich genau genommen mein Geld damit verdiene, dass es anderen schlecht geht. Kurz auf die Formel gebracht: „Damit es mir gut geht, muss es andern schlecht gehen.“ Doch nach einem tiefen Prozess konnte ich das für mich wandeln. Jetzt sage ich: „Gemeinsam arbeiten wir daran, dass es allen Beteiligten immer besser geht.“ Ich betrachte jetzt meine Arbeit mit Klienten als einen gemeinsamen schöpferischen Akt. Wir verhelfen uns gegenseitig zu mehr Seinsfreude, Gesundheit und Fülle. Seit ich diese Betrachtung pflege, habe ich übrigens weit mehr und auch finanziell solventere Klienten!
Leiden und Glauben
Die Frage nach dem Warum des menschlichen Leidens spielt in allen Religionen eine wichtige Rolle. Deswegen wird sie auch von klugen Theologen und Philosophen seit Ewigkeiten diskutiert. Dem werde ich kaum gerecht werden können. Deswegen beschränke ich mich hier nur auf eine saloppe Zusammenfassung: alle Religionen sind sich einig, dass das Leiden zum Leben des Menschen auf natürliche Weise dazu gehört! Und wie der einzelne damit umgeht, zeigt sein Maß an Weisheit, Demut und Vertrauen in seinen Glauben. Jede Religion bietet auch eigene (Er)lösungswege an. Manchen helfen sie, anderen weniger.
Manche Menschen glauben sogar – zum Teil geschürt durch ihre religiösen Vertreter – dass mächtiges Leiden, Entbehrungen und sich Aufopfern schließlich belohnt werden. Doch leider nicht in diesem Leben, sondern erst nach dem Tod. Die Aussicht auf das himmlische Paradies hat seit Jahrhunderten viele Menschen über ihr leidvolles irdisches Dasein hinweg getröstet.
Aus meiner Sicht wird da etwas verwechselt. Manchmal braucht langfristiger Gewinn kurzfristigen Verzicht. Das ist ein wirtschaftliches Prinzip. Wer Gewinn erwirtschaftet, sollte nicht gleich alles wieder ausgeben, sondern einen Teil wieder investieren. D.h. nicht alle Maiskörner einer Ernte essen, sondern einen Teil für die nächste Aussaat zurückbehalten, auch wenn er gegebenenfalls dann etwas weniger zu essen hat. Doch zu glauben, dass eine uns Menschen wohl gesonnene göttliche Instanz unser Leiden mehr belohnt als unsere Gesundheit, Liebe und Lebensfreude – ist für mich nicht nachvollziehbar.
Leiden als Grundlage der Kunst
Genau genommen geht es dabei nicht nur um das erfahrene Leid, sondern das ausgiebige Klagen darüber. Beispielsweise über den Partner, die Familie, den Staat, das Schicksal und den lieben Gott… Jammern und klagen haben es sogar zu einer eigenen Kunstform gebracht. Damit meine ich nicht nur die Trauerlieder und Klagesänger, die helfen, erlittenen Schmerz, wie z.B. den Verlust eines geliebten Menschen, zu verarbeiten. Sondern auch all jene Romane, Gedichte, Filme, Lieder und Opern, die in Wirklichkeit Litaneien der Unzufriedenheit sind. Egal, wie schön und künstlerisch wertvoll sie auch sein mögen.
Und viele Künstler erklären immer wieder, dass es gerade die unglücklichen Zeiten in ihren Leben waren, die sie motiviert haben, ihren Schmerz künstlerisch zu verarbeiten. Viele Künstler sind tatsächlich weit produktiver, wenn sie mit ihrem Leben hadern. Aber Leiden ist glücklicherweise absolut keine Voraussetzung für Entstehung guter Werke! Man kann auch aus Freude schöpfen!
Doch auch unter Comedy-Autoren wird auch oft gesagt: „Wer nicht weiß was Leiden ist, kann nicht wirklich witzig sein…“ Denn natürlich entspringt sehr viel Humor aus unserem Umgang mit den Widrigkeiten des Lebens. Manche bauen sogar ihren Karrieren darauf auf. Das trifft sicher auf viele Kabarettisten und Comedians zu. Außerdem fallen mir der österreichische Dramatiker Thomas Bernhard und der amerikanische Filmemacher Woody Allen dazu ein.
Ein Recht auf Jammern
Ich hatte schon Gespräche mit Menschen, die mir genervt erklärten, dass Jammern einen viel zu schlechten Ruf hat! Sie sind der Meinung, dass seinem Leiden Ausdruck zu geben und von anderen gehört und bestätigt zu werden, sehr heilsam sein kann. Ich persönlich glaube, dass dies wieder Mal eine Sache des gesunden Maßes ist. Natürlich soll man nichts beschönigen, dass einem gerade das eigene Leben vermiest. Aber das immer wieder zu beklagen, um Mitgefühl und Zustimmung zu erheischen, finde ich fragwürdig. Mir persönlich sind jene lieber, die nach Benennung der Missstände nach gesunden Lösungswegen suchen.
Jammern kann mich unfassbar langweilen. Besonders wenn es zum Selbstzweck wird. Solchen Menschen gehe ich gerne aus dem Weg. Zu meinen Studienzeiten gab es immer irgendwelche Witzbolde, die dann eine Karte aus der Hosentasche zogen und sie dem Jammerer präsentierten. Darauf stand: „Noch nie habe ich von größerem Elend als dem Ihren gehört. Bitte nehmen Sie diese Karte als Zeichen meiner Anteilnahme.“ In den 2000er Jahren sah ich auch häufiger das T-Shirt mit dem Aufdruck: „Jammern kannste woanders.“
Leiden ist immer hochindividuell
Natürlich gibt es schreckliche Dinge, die Menschen widerfahren können, wie beispielsweise ein schwerer Autounfall, Hungersnot, der Verlust eines geliebten Menschen, Gewalt, Missbrauch, schwere Krankheit uns so vieles mehr. Doch bin ich immer wieder erstaunt, wie sehr unterschiedlich Menschen damit umgehen.
Unsere Wahrnehmung, unser Verhalten und unsere innere Haltung bestimmen, wie wir eine leidvolle Situation erfahren. Was für den einen ein heftiger Tornado sein kann, kann für den anderen eine leichte Brise sein. Manche werden durch eine einzige Erfahrung fürs Leben gebrochen. Andere machen mehr schreckliche Dinge durch, als man sich vorstellen mag und bleiben dennoch lebensbejahend, liebevoll und zukunftsorientiert.
Egal wie furchtbar die Umstände sind, die gerade herrschen, es gibt immer wieder Menschen, die umso weiser, bewusster und inspirierender für andere daraus hervorgehen. An dieser Stelle fallen mir die beiden Holocaustüberlebenden Viktor Frankl und Edith Eva Eger ein.
Leiden 2.0. scheint unsere Zeit zu prägen
Inzwischen sind viele von uns mehr gefordert als je zuvor. Dagegen scheinen die meisten Probleme unserer erlebten Vergangenheit regelrecht banal. Denn plötzlich sind Dinge ein Problem, die nie zuvor eines waren. Der Schutz und Erhalt unserer Gesundheit, unsere Reisefreiheit, unser entspanntes Miteinander, unsere politische Selbstbestimmung und unsere Meinungsfreiheit stehen auf dem Spiel. Für manche mehr, für andere weniger – je nach Wahrnehmung und Positionierung.
Und also sind wir gefordert, mit diesem „Leidens-Upgrade“ konstruktiv umzugehen. Das bedeutet eine bewusste Auseinandersetzung mit unseren eigenen Ängsten. Wie zum Beispiel Verlustängste, Entbehrungsängste, Existenzängste und gar Todesängste… Außerdem sind wir gefordert, zu prüfen, wie es um unsere Vertrauensfähigkeit steht und wann und wie weit unser Misstrauen berechtigt ist. Mich erinnert das an einen Ausspruch, den laut einer lieben Freundin ein lettischer Student am Anfang der Corona-Krise tat, der mich sehr berührte: „Ich werde lieber krank, als einem meiner Freunde misstrauen zu müssen.“
Und schließlich geht es um unsere Wahrnehmung und Empfindung, was Wahrheit und Wirklichkeit selbst betreffen. Viele von uns müssen mit mehr oder weniger Erstaunen feststellen, dass Menschen aus dem allernächsten Umfeld diese völlig anders bewerten als wir. Wo einstmals zweifelsfreie Verbundenheit herrschte, weht uns nun ein kräftiger Wind in unterschiedliche Lager. Oftmals gar zu anderen und sogar fremden Menschen. Wir hätten nie geglaubt, dass wir zu ihnen eine stärkere Verbindung fühlen könnten als zu den Menschen unserer vertrauten Umgebung. Aber plötzlich spielen Alter, Herkunft, Status, Glaube und Nationalität eine weit geringere Rolle als persönliche Wahrhaftigkeit und eine klare Positionierung aufgrund des eigenen Erlebens. Und natürlich eine ähnliche Einschätzung des Geschehens – auch was Freud und Leid betrifft.
Der Leidensdruck nimmt zu
Und diese Bewegung scheint erst am Anfang. Nach meinem Gefühl haben wir die Höchststufe des Leidensdrucks noch lange nicht erreicht. Leider ist er für viele schon längst zu viel. Ich höre häufiger von Selbstmorden als je zuvor. Genaue Zahlen stehen allerdings noch aus. Und auch Depression und Verzweiflung haben zugenommen. Psychiater erfahren gerade einen starken Andrang. Auch der Konsum von Schlafmitteln und Beruhigungsmitteln ist gestiegen.
Dennoch sind weiter sehr viele Menschen der Meinung, dass sich die Umstände bald wieder „normalisieren“. Sie hoffen, dass wir zum gewohnten und vertrauten Alltag zurückkehren können. In der Hoffnung, dass die immer absurderen Regelungen und Bestimmungen ihren persönlichen Alltag und Lebensstil nicht auf Dauer unnötig in seiner Qualität einschränken, machen sie gewisse Kompromisse. Auf mehr oder weniger legale Weise arrangieren sie sich mit dem was ist. Sie denken nicht im Traum daran, sich in irgendeiner Weise öffentlich zu positionieren oder dem Geschehen zu widersetzen. Dabei ertragen sie alle möglichen kognitiven Dissonanzen auf verblüffende Weise. Sie wollen sich, ihre Arbeitsstelle, ihre Familien und ihr soziales Gefüge nicht unnötig gefährden. Ihr Motto ist, einfach durchhalten, bis es wieder besser wird. Die Frage, worin dieses „es“ besteht und wer dafür in Wirklichkeit verantwortlich ist, weisen sie mit einem gestressten und überforderten Schulterzucken ab.
Und dann gibt es natürlich noch jene, denen Leiden und physische Schmerzen echte Lust bereiten… Doch auch sie haben ihre Grenzen. Ich weiß von jenen, die Erfahrung mit SM-Praktiken und Bondage haben, dass es einen Code braucht, damit die Beteiligten einander vertrauen können. Es wird also ein Wort oder ein Signal vereinbart, damit die jeweilige Aktion abgebrochen werden kann. Doch dies ist kein Spiel und es wurde kein Code vereinbart, mit dem wir dem gegenwärtigen Geschehen – wenn wir dann wollen – Einhalt gebieten können. Keiner weiß, in welcher Form das wann geschehen wird. In jedem Falle scheint die Leidensfähigkeit der Menschheit noch lange nicht ausgereizt.
Der Siedepunkt rückt täglich näher
Doch eine wachsende Anzahl von Menschen ist immer weniger bereit, sich mit dem Geschehen zu arrangieren. Sie haben in Wirklichkeit auch keine Lust mehr zu ihrer Welt zurückzukehren, wie sie „ohne Pandemie“ war. Ihr Bedürfnis nach einer gerechteren und gesünderen Welt wird immer größer. Sie sehnen sich nach einem Schulsystem, dass den Bedürfnissen der Kinder wahrhaft gerecht wird. Sie wünschen sich ein Gesundheitssystem, dass tatsächlich am Wohl des einzelnen interessiert ist und nicht am Profit der Pharmaindustrie. Sowie nach einem Verkehrssystem, dass der Umwelt zuträglich ist und nicht nur dem Portemonnaie der Händler fossiler Brennstoffe. Und sie können sich auch sehr gut eine Regierung oder vielmehr eine Verwaltung vorstellen, der es nicht um Macht, Geld und Kontrolle geht, sondern um ein würdiges, gesundes und freies Miteinander. Wie so etwas aussehen könnte, habe ich mehrfach thematisiert. Beispielsweise in „Ein Visionsgebet“, „Auf unsere Visionen kommt es jetzt an“ und „Berufe mit Zukunft“.
Viele von ihnen kündigen ihre Arbeitsstellen oder klagen gegen ihre Arbeitgeber. Sie nehmen ihre Kinder aus den Schulen und verlassen das Land. Sie gehen auf Demonstrationen und kämpfen auf ihre Weise und nach ihren Fähigkeiten für Freiheit, Gerechtigkeit, ihre freie Meinungsäußerung und den gesunden Menschenverstand. Noch werden sie in der öffentlichen Meinung stark kritisiert oder gar bekämpft. Viele belassen es jedoch bei Sticheleien und einem gewissen Spott ob ihrer Weltfremdheit.
Wie groß muss das Leiden noch werden?
In meiner Wahrnehmung bewegen wir uns auf eine immer schärfere Polarisierung von Unmenschlichkeit, Fremdbestimmung und Gehorsamkeit einerseits und Menschlichkeit, Selbstbestimmung und Schöpferkraft andererseits zu. Überspitzt formuliert würde ich sagen, wir befinden uns in einem gigantischen Kampf der Bewusstseinsströmungen. Zwei davon dominieren das Geschehen: Macht durch Angst und Kontrolle gegen Liebe durch Vertrauen und Freiheit.
Aus meiner Sicht befinden wir uns in der Apokalypse – der Zeit der Offenbarung, wie sie schon in vielen Schriften und Prophezeiungen der Vergangenheit für die Menschheit angekündigt wurde. Und ich empfinde diese, wie ich oben schrieb, als Phase der „Abschlussprüfungen“ unserer gegenwärtigen Evolutionsstufe. Je nachdem, wie wir bei diesen Prüfungen individuell abschneiden, gestaltet sich unser weiterer Bewusstseinsweg.
Nach meinen Recherchen könnten die nächsten Prüfungsphasen folgende Themen beinhalten: die Offenlegung weltweiter krimineller Machenschaften bis in unsere Führungskreise; das wahre Ausmaß an Waffen-, Drogen- und Menschenhandel; weltweite Naturkatastrophen, Versorgungsengpässe, und – Offenlegung des Kontakts aller Regierungen mit extraterrestrischen Zivilisationen… Sowie vielleicht sogar deren leibhaftige Erscheinung. Diese muss allerdings nicht unbedingt leidvoll sein. Ich persönlich bin da sehr optimistisch.
Konstruktiver Umgang mit Leiden
Unsere Belastungen und Herausforderungen werden weiter zunehmen. Also ist es wichtig, dass wir einen konstruktiven Umgang mit Leiden finden. Unserem eigenen, aber auch dem unserer Mitmenschen. Es ist wichtig, dass wir trotz allem was geschieht, unsere Zuversicht, unseren Mut, unser Mitgefühl und unsere Liebe und unsere bewusste schöpferische Kraft behalten.
Also habe ich hier mein Wissen und meine Strategien im Umgang mit Leid und Leiden gesammelt. Sicher gibt es noch viele andere. Doch diese haben sich bisher für mich persönlich als die tauglichsten erwiesen.
Leiden macht uns immer zum Opfer, Verantwortung zum Schöpfer
Solange wir unter dem leiden, was uns widerfährt sind wir hilflos und ohnmächtig. Doch, wie schon andere kluge Menschen oft gesagt haben: wir können vielleicht nicht immer ändern, was uns widerfährt, aber wir haben jede Menge Einfluss darauf, wie wir damit umgehen. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass wir unser Erleben durch unsere Werte und unsere Wahrnehmung maßgeblich miterschaffen. Oder wie es auch immer so klug heißt: Unsere Wahrnehmung bestimmt unser Erleben, nicht umgekehrt.
Wenn wir also einen klugen Umgang mit dem Wählen, was uns widerfährt und unsere Wahrnehmung auf etwas Gutes ausrichten – ändert sich auch unsere Erfahrung. Dabei ist es auch ausgesprochen hilfreich und wichtig, zu unterscheiden, ob wir gerade schwächendes Selbstmitleid oder stärkendes Selbstmitgefühl walten lassen.
Ich persönlich habe auch schon viel widrige „dunkle“ Situationen für mich in „lichtvolle“ wandeln können. Indem ich mich gefragt habe: welchem Zweck könnte dieses Geschehen dienlich sein? Aus welchem Grund könnte ich dieses Erleben miterschaffen haben? Und welcher Aspekt in mir war da gerade in Führung? Um welche Erfahrung, welche Lektion, welches Wachstumspotenzial geht es dabei wirklich? Nicht immer finde ich die Antworten allein. Dann bitte ich meine klugen Freunde, das mit mir zu beleuchten. Wenn ich dann erfassen kann, worum es bei der jeweiligen Erfahrung geht oder auch nur gehen könnte, fällt es mir viel leichter einen guten Lösungsweg zu finden. In aller Regel geht es um die Vertiefung von Selbstannahme, Demut, Mitgefühl und Liebe. Das kann dann auch mal in gesunder, klarer Abgrenzung, Behauptung meiner Wahrheit und aktiven Widerstand resultieren. Und natürlich geht es immer und grundsätzlich um Bewusstseinswachstum!
Wir können uns selbst vom Opfer zum Schöpfer wandeln
Kürzlich habe ich etwas Fundamentales begriffen. Michael Roads, der spirituelle Lehrer und Mystiker aus Australien und mir ein lieber Freund und Mentor, sagt immer so schön: Wohin wir denken, Energie wir lenken – dort verbindet sie sich und erschafft. Die kürzere und bekanntere Version davon, die bereits als Diktum den aktuellen Bewusstseinswandel begleitet, lautet: „Unsere Aufmerksamkeit erschafft unsere Wirklichkeit.“ Dazu gehört für mich auch der Satz: „Annehmen was ist, ermöglicht Wandlung.“
So weit so gut. Doch erst, als ich einen Text des kanadischen Heilers Jacques Martel über seine Arbeit las fiel bei mir der sprichwörtliche Groschen. Ich begriff, dass er Dankbarkeit als die Voraussetzung jeder Heilung betrachtet,
Lange haderte ich damit und dachte: wenn ich in die Annahme dessen gehe, was mir missfällt, „denkt“ das Leben doch ich bin dankbar für die misslichen Umstände und beschert mir mehr davon? Doch neulich begriff ich auf einer tieferen Ebene, dass das Leben durch uns selbst wirkt. Und sein Vehikel sind meine Gedanken und Gefühle – die ja schließlich meine Wahrnehmung bestimmen. Nicht umgekehrt!
Fokus auf Annahme und Dankbarkeit
Sobald ich die misslichen Umstände aus einer Perspektive der bedingungslosen Dankbarkeit sehen und fühlen kann, erfahre ich zwei Vorteile. Zum einen belasten sie mich dann nicht mehr, zum anderen resoniere ich dann Ereignisse und Erfahrungen, die mich in meiner ehrlichen Dankbarkeit stärken. Annahme in Dankbarkeit ermöglicht also den Wandel. Denn das Leben verstärkt mein Gefühl – nicht etwa die Umstände!
Im Umkehrschluss ist Leiden ein Ausdruck meines Widerstandes gegen die mögliche Wandlung. Denn ich gebe dem Leben durch meinen Fokus auf Leiden das Signal, dass ich leiden möchte, da dorthin meine Aufmerksamkeit fließt. Wenn ich aber die Situation anerkenne, wie sie ist und die stressige Bewertung vermeide, kann ich sie auch ohne jede Anhaftung loslassen. Dann binde ich sie nicht mehr mit meinen (negativen) Gefühlen an meine Wirklichkeitserfahrung.
Loslassen öffnet den Weg für kreative Impulse
Dann kann ich meine Verfassung im jetzt und hier verändern und mich auf das Gute ausrichten. Infolge strömen durch mich nicht länger Angst, Wut und Ohnmacht. Der Weg ist jetzt frei für Kreativität. Nun kann ich in Ruhe erspüren und überlegen, was der klügste und weiseste Weg ist, dem zur Entstehung zu verhelfen, was mir wichtig ist. Manchmal erfahre ich dann sogar scheinbar überraschende und hilfreiche Interventionen von außen!
Wenn mir das Loslassen jedoch schwerfällt und ich aus irgendeinem Grund an meinem Leid festhalten will, lohnt essich zu prüfen, was mir das gerade für Vorteile bringt. Vielleicht kann ich damit meine Angst vorm Handeln (müssen) rechtfertigen. Oder ich kriege mitfühlende Aufmerksamkeit. Oder ich kann meine Verbindung zu Leidensgenossen damit aufrecht erhalten… Es ist so eine Krux mit dem Loslassen. Oft bedeutet dies nämlich auch liebgewordene Gegenstände oder Gewohnheiten mit aufzugeben. So ähnlich, wie man bei einer Wohnungsrenovierung auch den einen oder anderen Lieblingsgegenstand aufgeben muss, damit ein passenderer Platz bekommt.
Das Fiese anerkennen, aber auf das Gute fokussieren
Also achte ich darauf, die Missstände anzuerkennen, mich aber nicht allzu lange damit aufzuhalten. Auch beschönige ich sie nicht, sondern akzeptiere, dass sie als Ausdruck der aktuellen (kollektiven) Schöpfung gerade da sind. Und dann fokussiere ich umso gründlicher und intensiver auf das Gute.
Entsprechend sehe ich auch unsere aktuellen Prüfungen zwar nicht als angenehm, aber als notwendig und wichtig an. Sie sind offenbar der bestmögliche Weg, um uns in die nächste Stufe unserer Bewusstseinsevolution hinein zu katapultieren. Und ich vertraue darauf, dass wir dann irgendwann unseren menschlichen Glaubenssatz ablegen können, dass es Leiden für Bewusstseinswachstum braucht. Ich fände die Erfahrung durch Freude und Liebe zu wachsen weit beglückender.
Übrigens habe ich nach einer kurzen Recherche festgestellt, dass es im Deutschen und Englischen weit mehr Synonyme für Klagen und Jammern gibt als für Freuen und Jubeln. Außerdem scheint es, dass wir Freude eher passiv erfahren – z.B. ich bin entzückt, glücklich, beglückt, statt dass dies aktive Tätigkeiten sind. Wohingegen wir unser Leiden ziemlich aktiv gestalten… Ich wünsche mir, dass sich dieses Verhältnis umkehrt! Und werde meinen Beitrag dazu gerne leisten!
Ich weiß, dass ich eine Art „Werdungshebamme“ bin und Geschick darin habe, Menschen von ihrem alten zum neuen „Selbst“ zu begleiten. Sowie die in uns schlafenden Potenziale zu wecken und einen passenden Ausdruck für sie zu finden. Genau diese Potenziale werden in der neuen Zeit gebraucht.
Außerdem kann ich fühlen und vertraue darauf, dass diese neue Zeit geprägt sein wird von immer mehr Liebe, achtsamem und heiterem Miteinander, einem bewussten und harmonischen Umgang mit der Natur und einer Freiheit, wie wir sie nie zuvor kannten. Davon bringen mich auch die Widrigkeiten unseres aktuellen Alltags nicht ab… Oder anders gesagt: wenn wir alle diese Prüfungen endlich hinter uns haben, feiern wir, dass die Erde mit unseren Herzen lacht!