Hammer oder Kochlöffel?

2579 1391 Elisabeth Karsten

Natürlich muss es eigentlich Hammer UND Kochlöffel heißen… Aber noch gibt es in vielen Köpfen eine stereotype Vorstellung: von dem was ein Mann ist und sein muss, und eben auch eine Frau.

Ohne Klischees scheint es nicht zu gehen

Es gibt einen schönen US Film aus dem Jahr 1998 „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“. Darin werden auf charmante Weise die Ideale der 50er Jahre dargestellt und auch überzeichne … Joan Allen und Willam H. Macy geben darin ein „klassisches Paar“. Er kommt abends immer strahlend, in einem perfekt sitzenden Anzug aus dem Büro. Sie bäckt währenddessen im perfekten Kleid mit perfekter Frisur perfekte Muffins. Und natürlich leben sie in einer perfekten – schwarzweißen – Welt. Sie sind nämlich Figuren einer fiktiven Fernsehserie… Allerdings hält Farbe Einzug in ihre Welt. Zu sehen, wie das geschieht und was das für Folgen hat, ist ziemlich unterhaltsam.

Tatsächlich ist unsere Welt seitdem in vieler Hinsicht bunter geworden. Es gibt jetzt Hausmänner mit Ehefrauen, die den Familienunterhalt mit ihrem Managerjob bestreiten. Es gibt Schornsteinfegerinnen und Bauleiterinnen oder männliche Sprechstundenhilfen und Hebammen. Dennoch gelten Kindergärtner und Werkzeugmacherinnen nicht als selbstverständlich. Irgendwas verhindert das.

Der Zauber des Werkzeugkastens bzw. der Küchenschürze

Irgendwann in den 90er Jahren hörte ich mal beim Autofahren eine Radiosendung. In dieser wurde  unter den vor allem weiblichen Hörern eine Umfrage gemacht. Die Frage war, was sie an einem Mann am attraktivsten fänden: Wenn er aussähe wie Tom Selleck (Star der damals populären TV-Serie Magnum), wenn er ein dickes Portemonnaie oder wenn er einen ordentlichen Werkzeugkasten hätte. Zur Überraschung der Redakteure war der Werkzeugkasten mit dem Portemonnaie fast gleichauf. Auf entsprechende Nachfrage erklärten die Hörerinnen, viel Geld könnten sie selber verdienen – aber handwerkliches Geschick sei rar und sexy…

Die meisten Männer fühlen sich dagegen eher weniger erotisiert, wenn sie eine Frau mit dem Bohrschrauber hantieren sehen. Das ist anders, wenn sie strickt oder kocht… Irgendwie wirken Schweißperlen vom aufsteigenden Wasserdampf der kochenden Pastasauce an Frauen im Allgemeinen attraktiver, als jene vom Andübeln einer Deckenlampe. Bei Männern ist das dagegen oft genau umgekehrt.

Durch genauere Betrachtung werden die Klischees unscharf

Andererseits kenne ich viele Männer, die hervorragend kochen und genauso souverän mit der Bohrmaschine umgehen können. Und auch Frauen. Wobei anzumerken ist,  dass die meisten Starköche Männer sind. Es ist ein  konkurrenzintensiver Beruf, in dem man sich oft beweisen muss. Dafür beglückt man dann unter Beifall gelegentlich prominente Gourmetzungen. Das ist was ganz anderes, als der Familie täglich ein Essen vorzusetzen, dass allen schmecken muß.

Auch in anderen Bereichen sind die Klischee-Grenzen neblig: die Menschen, die ich kenne, die den größten Hang zu Klatsch und Tratsch und Neigung zum Kitsch haben – sind männlich, und keine Softies und auch nicht schwul, um mal gleich einem anderen Klischee zu begegnen! Und die Menschen, die ich kenne, die am effizientesten zerstören – seien es Gegenstände oder Beziehungen – sind Frauen! Trotzdem kennt unsere Sprache keine Klatschonkel und Kitschbolde – obwohl es doch sogar viel mehr männliche Gartenzwerge gibt?! Und für die weibliche Zerstörungskompetenz gibt es keinen umgangssprachlichen Ausdruck, wie „Terminatrix“. Vielleicht, weil physische Gewalt nicht immer die erste Wahl einer Hexe ist…

Aus irgendwelchen Gründen halten sich also die Klischees hartnäckig und nicht nur, weil die wissenschaftlich erwiesenen Dispositionen das schüren: Männer können schwerer tragen und räumlich sehen, Frauen können mehr Schmerz ertragen und sind multitaskingfähiger.

Gleichberechtigung – ja, Gleichmacherei – nein

Bei aller Sehnsucht nach der Gleichberechtigung von Mann und Frau gibt es eben auch eine Sehnsucht danach, die Unterschiedlichkeit deutlich zum Ausdruck zu bringen. Manche Männer meiden rosa, selbst wenn es sich ihnen in Form einer Rhabarbersaftschorle präsentiert… während manche Frauen sich beharrlich weigern, etwas anderes als Röcke und Kleider zu tragen. Auch in unserer Kultur und linken Kreisen…

Viele Männer möchten wirklich gerne männlich sein, ohne als Macho verschrien zu werden, viele Frauen möchten wirklich gerne weiblich sein – ohne als Zicke oder Tussi abgestempelt zu werden… Aber der Dschungel aus Stereotypen, Vorurteilen und mehr oder weniger veralteten gesellschaftlichen Mustern und Traditionen ist dicht und dunkel. Sich darin einen Weg zu bahnen, der schließlich zu einem gesunden Umgang mit dem eigenen Geschlecht und dem der anderen führt, ist für viele ein lebenslanger Prozess. Da hilft nur Mut, Durchhaltevermögen und viel Humor – immerhin ein häufiges Begleitprodukt der Klischees!