Pendel über Windrichtungskarte

Wieso ist Gott Single?

1920 1177 Elisabeth Karsten

Der Gott der Christen, Juden und Muslime ist single. Allmächtig, allwissend und ziemlich allein. Warum eigentlich? Ist die Zweisamkeit nicht weit göttlicher? Wie oft heißt es „Gott ist die Liebe“ – aber was bedeutet das für den Herrn selbst?

Dieser Tage hat der Papst verlauten lassen, dass auch geschiedene Katholiken in neuer Ehe vielleicht unter ganz bestimmten Umständen und in Absprache mit ihrem lokalen Pfarrer  – und dieser in Absprache mit seinem Gewissen dann doch wieder an der Eucharistie (Das Essen vom „Leib Christi“ – d.h. das Essen der heiligen Oblate) teilnehmen dürfen. D.h. geschieden zu sein muss für gläubige Katholiken nicht mehr unbedingt eine Strafe sein. Freut mich für alle, die das freut – mich persönlich interessiert in der Sache etwas anderes:

War Gott nie verliebt?

Da leben Milliarden von Christen seit angeblich 2000 Jahren mit dem Glauben an Jesus, als dem einen Sohn eines einzigen Gottes. Denn die Frau, die die Gnade hatte, ihn weltlich zur Welt bringen zu dürfen, war auch noch ’ne ungöttliche Jungfrau. Und der Vater bzw. der Heilige Geist, wird oft auf alten Gemälden als Taube dargestellt, die auf die heilige Maria hernieder… ja was eigentlich?… In jedem Fall verleiht es dem Begriff „Vögeln“ irgendwie eine ganz eigene Note.

Also eine ganz einmalige und geradezu magische und natürlich heilige Sache trug sich da zu. Dergleichen ist natürlich überhaupt nur bei Göttern möglich. Übrigens ist Jesus da in guter Gesellschaft mit anderen Götterkindern:  in der griechischen Mythologie nahm der Göttervater gern die Gestalt von Geflügel an. Kastor und Pollux wurden von Zeus in Gestalt eines Schwans gezeugt. Als Kuckuck verführte er seine künftige Ehefrau Hera und wurden je nach Mythos damit Eltern u.a. von Hephaistos und/oder Ares… In der Mythologie einiger nordamerikanischer Indianerstämme ist der „Vater der Menschheit“ ein Rabe. Dieser langweilte sich mit den anderen Vögeln. Und also warf er eines Tages einen Stein ins Meer, aus dem sich die Welt erhob, in der nun Menschen leben…

Sind angeblich alles nur Metaphern

Und damit diese Vorstellungen beim gewöhnlichen Sterblichen nicht allzu viel Kopfzerbrechen erzeugen, werden einem diese Schöpfungsakte als Metapher vermittelt…

Die katholische Kirche ist wahrscheinlich das älteste und effektivste Macho-Unternehmen der Welt. Sie hat immer für alle die Ehe propagiert, die nicht ganz so heilig wie ihre eigenen Mitarbeiter sind. Und zwar hauptsächlich als Zeugungsinstitution zukünftiger Katholiken. Je mehr Katholiken, desto stärker die katholische Kirche… Das „Heilige Sakrament der Ehe“ ist das einzige Sakrament, dass sich ein Ehepaar gegenseitig spendet – die anderen Sakramente (Taufe und Letzte Ölung) werden vom Priester gespendet.

Dennoch haben hier und da auch ein paar kirchliche Würdenträger  persönlich zur Mehrung ihrer Schafherde beigetragen. Jeder kennt solche Geschichten. Genaue Zahlen, wie viele Priester und Mönche, und vielleicht sogar die gelegentliche Nonne, das Zölibat umgehen, sind jedoch nicht bekannt.  Zu groß ist das Tabu. Zu viel das, was die Beteiligten dabei verlieren würden. Denn ein Priester, der das inzwischen seit fast 1000 Jahren institutionalisierte Zölibat bricht verliert sein Amt und ist selten fähig oder ausgebildet mit etwas anderem seine Existenz zu sichern.

Wieso kein heiliges Götterpaar?

Worauf ich hier jedoch hinaus will, ist folgendes:  Wenn denn die Vereinigung von Männern und Frauen für den Erhalt eines Volkes und seiner Religion so schrecklich wichtig ist, warum gibt es dann keine Weltreligion, die ein göttliches Paar würdigt?  Stattdessen ist die Sache mit Mann und Frau in allen Religionen ein ewiger Quell von Konflikten und viel Leid. Glücklicherweise jedoch auch von viel Humor und Weisheit. Aber ich bin sicher, wenn Männer ohne Frauen Nachwuchs zeugen könnten,  hätten es Frauen wahrscheinlich noch viel schwerer.

Und leider bin ich auch sicher, dass es in der langen Zeit der Matriarchate nicht viel besser war. Denn vor dem Entstehen unserer aktuellen Weltreligionen gab es eine lange, lange Zeit der Menschheitsgeschichte, in der die Muttergöttin verehrt wurde.  Historische Zeugnisse aus dieser Zeit wurden lange unterdrückt, verschleiert oder absichtlich fehlinterpretiert. Vor allem von männlichen Forschern und Historikern, die nicht im Leben auf die Idee kamen oder kommen wollten, dass das Weibliche tatsächlich mal höher geachtet war als das Männliche. Glücklicherweise gibt’s inzwischen doch einige sehr kluge und mutige Menschen, die sich der Erforschung dieser Tatsache gewidmet haben. Ich habe gerade erst angefangen, tiefer in diese Materie einzusteigen.

Jedenfalls waren zur Zeit des Matriarchats die Frauen diejenigen, die sich um Politik, Wirtschaft, Krieg, und Recht kümmerten, während Männer zu diesen Zeiten für den Haushalt und die Kindererziehung zuständig waren.

Also kann man das ganze kurz und knapp auf die Formel bringen, wie es auch einige Autoren tun: Wird ein männlicher Gott angebetet, sind die Männer an der Macht. Wird eine Göttin angebetet, sind die Frauen an der Macht.

Was war davor?

Ich halte es für absolut möglich, dass es in noch früherer Zeit noch anders war. Also noch bevor das Pendel Richtung Matriarchat schwang.  Möglicherweise gab es auch mal eine Zeit, in der die Menschheit tatsächlich ein göttliches Paar, also männliches und weibliches gleichermaßen angebetet hat. Oder es überhaupt keine Religion in dem Sinne, wie wir sie heute definieren gab, weil einfach kein Bedarf war. Vielleicht, weil die Menschen mehr im Einklang mit den Wandlungsprozessen der Natur waren. Möglicherweise litten sie damals auch nicht in dem uns vertrauten Maß untereinander.  Also brauchten sie keine „höhere Macht“ als ihr eigenes Herz und Gewissen, um einem kindlichen Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Ordnung nachzukommen. Vielleicht waren sie so liebesfähig, dass ihre Welt im besten Sinne in Ordnung war.

Ich kann da nur spekulieren. Aber es macht mir Spaß darüber nachzudenken, wie ein glückliches Leben als natürlicher Atheist aussehen kann.

In jedem Falle hat es in der langen Zeit des Übergangs vom Matriarchat zum Patriarchat neue Religionen gegeben, in denen es Götterpaare gab. Deren Beziehungen hatten allerdings oft heftig menschliche Dynamiken. Mit viel Sex und Ehebruch und jeder Menge göttlicher Bastarde. Da es sich um Götter handelte, griffen menschliche Moralansprüche nicht. Das gilt u.a. für die Religion der alten Griechen, die der Germanen und teilweise für den Hinduismus…

Außerdem gibt’s auch jede Menge göttlicher Liebesgeschichten – und glücklicher Götterehen. Neben Göttern der Liebe (meist weiblich) und ihren Tempeln gab’s sicher auch Tempel, wo für eine gute Ehe gebetet wurde. Nach bisherigem Forschungsstand sind die zuständigen Gottheiten, die eine gute Ehe unterstützen würden Einzelgottheiten und ausschließlich weiblich…Z.B. Hera/Juno – bei den alten Griechen und Römern, Frigga bei den alten Germanen und Parvati im Hinduismus. Ist es also wichtiger, eine gute Ehefrau zu sein, als ein guter Ehemann zu sein?

Und in Zukunft?

Aber die interessante Frage ist ja eigentlich, was als nächstes kommt? Sind wir als Menschheit auf ewig dazu verdammt die Pendelbewegungen von Matriarchat zum Patriarchat und wieder zurück mitzumachen?

Oder erleben wir vielleicht gerade wieder eine Zeit des Übergangs? Manche sprechen schon vom „Postpatriarchat“. Eine Zeit, in der ein Stück weit das gegenwärtige bereits veraltet ist, dass uralte jedoch eine gewisse Renaissance erlebt. In gewissen Kreisen wird die Muttergöttin (wieder) verherrlicht und allgemein die Zeit ihrer Blüte wieder herbei gesehnt. Aber das ist vielleicht gefährlich – denn dann könnte das Pendel wieder ins andere Extrem schwingen.

Meine Vorstellung ist, um im Bild zu bleiben, dass das Pendel in eine ganz neue Richtung schwingen muss und wird. Ich stelle mir eine Pendelskala vor, wo rechts das männliche ist, links das weibliche, unten das männliche-und-weibliche angebetet wird und oben an beide nicht geglaubt wird. Dann hat es zunächst den Anschein, dass es keine neue Richtung geben kann – denn die vorhandenen kommen nicht mehr wirklich in Frage. Doch das Pendel soll nicht stagnieren, denn dann käme alles zum Stillstand.

Wohin führt die nächste Bewegung?

Aber ich glaube, es gibt eine neue Richtung… Und diese ist möglicherweise ein Ausdruck unseres nächsten Evolutionsschritts. Ich glaube nämlich, dass ein Pendel „nach innen“ schwingen kann. Ähnlich der Antwort auf die Frage, aus welcher Perspektive man alle Seiten eines Würfels gleichzeitig sehen kann: die Antwort lautet, vom Innern des Würfels…

Und dieses „nach-Innen-Schwingen“ würde ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt so interpretieren, dass jeder den Glauben (wenn er ihn denn braucht) in sich selbst findet. Sich dabei idealerweise selbst als göttlich begreift – und jedes andere Wesen eben auch. Damit würde jede Begegnung ein heiliger Akt. Und gerade der Sex könnte vielleicht auch wieder und vielleicht noch mehr als jemals, seine ursprünglichen Kräfte entfalten. Diese wurden ihm im Laufe der Religionsgeschichte/n leider abgesprochen. Die entsprechenden Techniken wurden dämonisiert und/oder gerieten in Vergessenheit. Dabei hat guter Sex – wie echte Tantriker wissen – eine verjüngende, heilende und Weisheit spendende Wirkung.

Denn guter Sex trägt zur Selbstliebe und damit zur Selbstermächtigung bei. Doch Selbstermächtigung ist genau das, was eine Religion nicht will. Sie will das Selbst jedes Menschen entmächtigen und die wie auch immer definierte, aber äußerlichen „Gottheit“ und ihre Repräsentanten ermächtigen.

Doch ich persönlich glaube, dass ein jeder von uns göttlich ist. Oder, wie es auch in der esoterischen Literatur immer wieder heißt, ein Funken des universellen göttlichen Lichts. Das heißt, ein einzigartiger und großartiger Teil und Ausdruck des Einen göttlichen Bewusstseins. Je bewusster sich jeder einzelne Mensch dessen wird, umso göttlicher wird unser Leben… Für jeden einzeln und für alle miteinander!

Diese Bewusstwerdung geschieht schon allenthalben und immer häufiger, wie im vorigen Blogartikel bereits erläutert.  Also ist es auch hier nicht eine Frage des ob, sondern nur eine Frage des wann – und ja, in diesen Dingen muss man in großen Zeiträumen denken können. Aber irgendwann ist unser aller Religion die Liebe…und wir sind ihre Götter, wenn wir uns denn trauen, es zu sein!