Balance hat eine Farbe

610 458 Elisabeth Karsten

Dieser Blog ist der Wahrnehmung von Balance durch Michael Roads gewidmet, nämlich als Farbe! Doch vorweg ein kleiner Exkurs.

Wie ein paar aufmerksame Leser bemerkt haben, habe ich im Januar keine Blogartikel geschrieben. Mein Blog musste ein paar Wochen ruhen. Während dieser übernahm ich in einer Art literarischer Rettungsaktion, die missglückte Buchübersetzung von Michael Roads‘ Buch „Stepping…Between…Realities“. Das Buch kann nun, wie bereits in den Medien angekündigt und von den Fans ersehnt, planmäßig auf Deutsch erscheinen. Und zwar in einer hoffentlich dem Autor und seinem Werk würdigen Qualität. Es heißt: „Wanderer zwischen den Welten“ und erscheint am 15. April bei Hierophant.

Damit alle entsprechenden Termine eingehalten werden konnten, musste ich mein eigenes Schreiben hintanstellen. Zum einen hatte ich dafür schlichtweg keine Zeit. Zum anderen fällt es mir außerordentlich schwer, während ich mich im ‚geistigen Garten‘ eines anderen aufhalte, mich um meine ‚eigenen Gewächse‘ zu kümmern. Doch im Gegensatz zu realen Pflanzen, nehmen einem das Texte weniger übel, wenn sie eine Weile vernachlässigt werden. Sie entstehen halt dann, wenn der Autor endlich so weit ist…

Wie Michael Roads die Schöpfungskräfte wahrnimmt

Nachdem ich mich wochenlang intensiv mit Michaels metaphysischen Reiseberichten beschäftigt habe, fasziniert mich  seine Wahrnehmung unserer Schöpfungskräfte umso mehr. Da ich das nun gerade übersetzt habe, erlaube ich mir ihn dazu direkt aus diesem Buch zu zitieren. Er erklärt den neuen Lesern seine Wahrnehmung:

„Die Qualität zeigt sich in einer mir nun vertrauten Weise: CHAOS – der Motor, der antreibt, ORDNUNG – die Stabilität der Struktur, und BALANCE – der Ort des größten Potenzials.

Okay, für die neuen Leser muss ich das noch einmal erklären.

CHAOS – die Antriebsenergie, ist eine Energie, die ich metaphysisch in hunderten von Rottönen erfahre, von denen jeder eine andere emotionale Verbindung zu mir hat. Doch für diese emotionale Sprache – denn darauf läuft es hinaus – gibt es keine intellektuelle Übersetzung. Ich könnte sagen, dass manche Rottöne niederträchtig, wütend, zornig, destruktiv, flüchtig sind, während andere liebend, fürsorglich, beruhigend, verbunden, kreativ sind… all das in stetig variierenden emotionalen Nuancen, die vielleicht über eintausend verschiedene rote Farbtöne enthalten. Mit der schwarzen Farbe der ORDNUNG, der Stabilität der Struktur, verhält es sich genauso.

Ein Flächenbrand ist zum Beispiel reines CHAOS ohne ORDNUNG. Ein Felsen ist reine ORDNUNG ohne CHAOS. Zwischen CHAOS und ORDNUNG gibt es eine enorme, kreative Verwindung (Torsion). Wenn diese zwischen den beiden Polen eine perfekte Dynamik erreicht, dann erlebe ich das weiße, flimmernde Licht der BALANCE – der Ausdruck des größten Potenzials.“

(Michael J. Roads, „Wanderer zwischen den Welten“, S.98)

Jenseits von bekannten physikalischen Prinzipien

Was ich so besonders spannend daran finde, ist die Farbwahrnehmung. Denn ganz offensichtlich hat es nichts mit den – uns bisher bekannten – optischen Gesetzen der Physik zu tun, denen zu Folge die drei Gestaltgebenden Farben Orange, Grün und Violett sind, bzw. Blau, Rot und Gelb.

Doch hier geht es weniger um optisch wahrnehmbare, physikalisch messbare Erscheinungen, sondern um metaphysische Prinzipien. Als ob man in die Töpfe auf dem Schöpfungsherd gucken könnte! Manche brodeln und köcheln und manche…scheinen fast völlig erkaltet… Und natürlich alle Stufen dazwischen.

Und diese Prinzipien zeigen sich zumindest Michael Roads in den Farben Schwarz, Weiß und Rot. Doch ist mir dieses magische Farbtrio schon längst und lange bevor ich mit Michael Roads in Kontakt kam, auch in anderen Zusammenhängen aufgefallen.

Beispielsweise fand ich es immer interessant, dass klassische Kartenspiele entweder schwarze oder rote Symbole auf weißem Grund haben.

Beliebte Vereinsfarben

Außerdem spielten die Farben natürlich eine große Rolle in der mittelalterlichen Heraldik. Das findet bei uns beispielsweise noch in Sportvereinen oder politischen Parteien seinen Ausdruck.

Sportvereine in allen Ländern wählen oftmals diese Farben: In Deutschland z.B. die Bundesliga Fußballmannschaften von Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt. In der Amerikanischen NBA z.B. die Chicago Bulls und die Houston Rockets.

Unangenehm bekannt ist uns diese Kombination in der allerdings machtvollen Symbolik der Nazis. Ihre Flagge zeigt ein schwarzes Hakenkreuz in einem weißen Kreis auf rotem Grund…

Tatsächlich hieß es im deutschen „Reichsflaggengesetz“ von 1935: „Die Reichsfarben sind Schwarz-Weiß-Rot.“

Bis heute sind diese Farben die Nationalflaggenfarben vom Jemen, Irak und von Ägypten und Syrien. Ihnen gemeinsam ist ihre Wurzel in der arabischen Revolutionsfahne von 1952. Entsprechend haben sie alle den gleichen Hintergrund. Drei gleichbreite Querstreifen in der Reihenfolge von oben nach unten: rot, weiß, schwarz. Diese Farben gehören – mit Grün, wenn auch weniger – zu den panarabischen Farben und ihre Symbolik ist eine der arabischen Kultur spezifische. Doch dies, sowie die Geschichte der Fahnenfarben überhaupt führt hier zu weit von meinem Thema weg. Belassen wir es dabei, dass dies machtvolle und daher beliebte Farben für eine Gruppenzugehörigkeit sind.

Schneewittchen lässt grüßen

In Märchen kommen die Farben auch immer wieder vor. Beispielsweise im Märchen vom Schneewittchen nach den Gebrüdern Grimm. Es beginnt mit einer sehnsüchtigen Königin, die an einem Wintertag nähend an einem Fenster mit schwarzem Ebenholzrahmen sitzt und sich versehentlich in den Finger sticht. Während ihre roten Blutstropfen in den weißen Schnee fallen, denkt sie: „Ach hätt ich doch ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz.“ Ihr Wunsch erfüllt sich und sie bekommt eine Tochter – mit dem Namen Schneewittchen. Ihre Haut ist weiß, die Haare schwarz und die Wangen rot, wie Blut.

Aber die Wurzeln dieses Märchens sind natürlich noch viel älter. Tatsächlich gehen sie wohl weit in die vorchristliche Antike zurück. Der Forschung zufolge sind Reste eines alten Venus/Aphroditekults darin zu entdecken. Die drei Gegenstände, mit denen ihre böse Stiefmutter versucht, sie zu Tode zu beglücken…sind ein Gürtel, ein Kamm und ein Apfel, alles Attribute der Liebesgöttin! Und wahrscheinlich sind die genauen Farben dieser Gegenstände im Laufe der Überlieferung verloren gegangen. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn sie das magische Farbtrio reflektierten. D.h. möglicherweise ein weißer Gürtel, ein schwarzer Kamm und ein roter Granatapfel!

Auch im beliebten russischen Märchen „Die schöne Wassilissa“ spielt das Farbtrio eine geheimnisvolle Rolle. Die Heldin wird von ihrer ebenfalls bösen Stiefmutter in den Wald geschickt. Sie soll bei der höchst gefährlichen Hexe Baba Yaga Feuer holen. Auf dem langen Weg dorthin begegnet Wassilissa in der Morgendämmerung ein Reiter. Alles an ihm ist weiß: das Gesicht, die Kleidung, das Pferd und auch dessen Riemenzeug. Bei Sonnenaufgang begegnet ihr ein roter Reiter und bei Anbruch der Nacht ein Schwarzer. Es sind dies die drei Diener der Baba Yaga: Der helle Tag, die rote Sohne und die schwarze Nacht.

Die Farbsymbolik

Allgemein kann man sagen, dass psychologisch Schwarz u.a. Macht, Mysterium, das Weibliche, das Böse, das Dunkle und der Tod in Verbindung gebracht, mit Weiß: Hoffnung, Reinheit, das Männliche, das Gute, das Licht und das Leben und mit Rot: Leidenschaft, Gefahr, Liebe, Energie und Blut.

Doch haben die Farben einen unterschiedlichen Stellenwert in unterschiedlichen Kulturen: bei uns sind Bräute weiß gekleidet, in China rot; bei uns trägt man bei Beerdigungen schwarz, in Indien weiß.

Und in der Antike waren die Farben auch mit der Temperamentenlehre von den Körpersäften verbunden. Traditionell galt Schwarz als die Farbe der Melancholiker, Weiß als die Farbe der Phlegmatiker und rot als die Farbe der Sanguiniker. Dem Choleriker wurde die Farbe Gelb zugeordnet.

Tiefenpsychologisch steht schwarz für die unbekannten und unterdrückten ‚Schattenseiten‘, die Angst vor dem Unbekannten und für Angst vor oder eine Situation von Tod und Trauer.

Weiß steht für Unschuld und Reinheit, auch für Enthaltsamkeit und Unfruchtbarkeit. Rot steht für Leidenschaft, Feuer und offensichtliche Gefühle überhaupt.

Dazu gibt es natürlich unendlich viel Material. Mehr als ich an dieser wiedergeben kann und möchte. Außerdem geht es mir ja um das besondere gemeinsame Auftreten der drei Farben. Schließlich wurde ich diesbezüglich fündig.

Von der Mythologie zur Alchemie

So sehr mich Alchemie immer fasziniert hat, so sehr bin ich auch bisher immer daran gescheitert, sie wirklich im Detail zu verstehen. Zu vielfältig und komplex sind die vielschichtigen Bedeutungen der verschiedenen Elemente und ihrer Wirkungsweisen. Deswegen ist die folgende Beschreibung auch nur eine Annäherung im Dienste meiner Theorie, nämlich dass es mit dem gemeinsamen Auftreten der drei Farben Schwarz, Weiß und Rot eine Bewandtnis hat, die über unser übliches Verstehen hinausgeht.

So, wie ich die alchemistische Lehre diesbezüglich verstanden habe, drücken die drei Farben drei Wandlungszustände aus, zu der ursprünglich noch ein vierter, der gelb ist gehörte. Doch seine Bedeutung verlor sich mit der Zeit bzw. wurde wohl dem Roten untergeordnet.

Im Prinzip geht es dabei um einen Wandlungsprozess (Transmutation), um etwas von einem niedriger werten Zustand in einen Zustand höherer Ordnung zu überführen.

Der Alchemie zufolge geht das mit einer gewissen Farbgebung der Materie einher, die dann auch psychologische Symbolkraft erhielt.

Demnach sind Phasen der Alchemie, die mit dem Wandlungsprozess von Materie einhergehen, wie folgt:

Nigredo – die Schwärzung: damit ein Stoff in einen höheren Zustand kommen kann, muss er zunächst in seinen Urzustand versetzt werden – d.h. er wird eine schwarze formlose Masse und ist ‚tot‘ d.h. am Ende ihres alten Zustands. Albedo – die Weißung folgt darauf – entweder in dem eine Vielzahl von Farben durchlaufen werden oder direkt weiß bzw. silber wird. Sodann erfolgte der ultimative Zustand in der der Stoff sich rot färbte und also seine höchste Qualität erreichte: Rubedo.

Der Schweizer Begründer der Tiefenpsychologie C.G. Jung interpretierte das psychologisch: Im Dunkel, im Schatten, im Urzustand verborgen liegt das Potenzial damit ein neuer Ich-Zustand erreicht werden kann, eine Wiedergeburt. Darauf folgt Albedo der Zustand des Gleichgewichts, laut Jung ein Idealzustand, der mit Leben erfüllt werden muss, mit Blut (Rubedo), für ihn waren das Weiße und das Rote Königin und König…

Außerdem gibt es bei Jung noch eine komplizierte Interpretation bezüglich des ‚transmutativen‘ Verhältnisses zwischen Therapeut und Patienten – das umfasst noch mehr als diese Farben und sprengt den aktuellen Rahmen.

Ein bewusster Umgang mit den Farben ist vielleicht ergiebiger als wir ahnen

Also drücken die drei Farben offenbar Wandlungszustände aus und damit eröffnen die Farben im Märchen vom Schneewittchen, die Initiationsschritte in den Venuskult beschreiben, eine weitere Dimension. Offenbar war damals ein Wissen bekannt, das uns zwischenzeitlich – mal abgesehen von den Alchemisten – verloren ging. Doch hat es uns unterbewusst durch die Jahrtausende begleitet. Denn bis heute hat die Kombination der drei Farben Schwarz, Weiß und Rot eine ganz besondere Wirkung auf uns, ob wir uns dessen gewahr sind, oder nicht.

Auch wenn es sich – zumindest nach Michaels metaphysischer Betrachtung – genau genommen etwas anders verhält, als die Alchemie lehrt.

Das wirft die Frage auf, ob sich unser Verhältnis zu den Wahrheiten des Lebens ändern würde, wenn wir unsere Wahrnehmung entsprechend der „höher realen“ bzw. metaphysischen Wahrnehmung von Michael Roads ausrichten würden: dann drückt schwarz einen Zustand von fast unbeweglicher Stagnation und Beharren auf Ordnung aus – d.h. schwarze Kleidung wäre geistiger und psychischer Beweglichkeit nicht wirklich zuträglich, obwohl viele Künstler und Intellektuelle traditionell gerne schwarz tragen und schwarze Dessous als besonders verwegen und erotisch gelten. (Tatsächlich gibt es Untersuchungen, dass schwarze Unterwäsche der Gesundheit weit abträglicher ist als weiße!)

Desweiteren leuchtet ein, warum Heiler und Mediziner so gerne weiß tragen. Neben der vordergründigen Bedeutung von Reinheit und dem symbolischen Versprechen ‚gutes zu tun“ und lichtvoller Autorität sollten sie in Balance sein, um auch ihren Patienten wieder zu Balance zu verhelfen und rot schließlich ist die Farbe die neben (manchmal auch notwendiger) Zerstörung auch Bewegung und Wachstum ermöglicht, und Wandel – ob er nun willkommen ist oder nicht…

Wie immer ist es eine Frage des Maßes und die wahre Kunst liegt in einem dynamischen, ewigen Tanz der drei: Schwarz als die Farbe der Ordnung und Festigkeit, Rot als die Farbe des Chaos, die Bewegung ermöglicht und Weiß als ihr idealer Treffpunkt zur Freisetzung des höchsten Potenzials… Und das streben wir doch alle an?!