Schriftzug YS

YS Ausschnitte Teil 1 :: DAS TOR

Zitate

„Schwache Söhne sind ein Problem, aber starke Töchter sind eine Strafe.“

„Sie weiß wohl um den Triumph des Siegens, aber nicht um die Süße des sich Ergebens.“

„Ausgerechnet ich, die Esokitsch nicht ausstehen kann, habe als Krafttier ein Einhorn!“

Auszug 1

Am nächsten Morgen beim Frühstück fiel Norea immer wieder das Getuschel auf, sobald sie sich anderen näherte. Offensichtlich war ihr „ignorantes Benehmen“ und „respektloses Gelächter“ immer noch Thema. Dies bestärkte sie nur in ihrem Entschluss, den sie in den schlaflosen Morgenstunden gefasst hatte: sie würde sich nachher ein Taxi bestellen und dann den Greyhoundbus zurück nach Queens nehmen. Gayle konnte ihretwegen gerne hier bleiben und ihren Flirt mit Russell fortsetzen.

„Vielleicht waren die alten Kelten einfach nicht dein Ding? –Vielleicht kommst du mit den Griechen oder Mayas besser zurecht?“ versuchte Gayle, sie umzustimmen. Norea schüttelte den Kopf: „Mir ist das alles einfach viel zu künstlich: die Kostüme, die Kulissen, die Gerüche und die Sprache!“
“Wenn du mit dem Herzen schauen und hören würdest, dann wären dir die Kostüme und die Kulissen egal!“ mischte sich Galadriel in das Gespräch ein. „Wenn ich mit dem Herzen gehört hätte, hätte ich nicht nur einen Lachanfall gekriegt, sondern einen Herzinfarkt!“ entgegnete Norea bissig. Mit bedauerndem Blick bemerkte Galadriel: „Ich fürchte, es fehlt dir an Fähigkeit, die Dinge positiv zu sehen! Offensichtlich bist du zu sehr deinem inneren Schmerz verhaftet.“ Norea stöhnte und wandte sich wieder an Gayle: „Und dieses übergriffige, therapeutische Gequatsche kann ich erst recht nicht leiden.“ „Und ich dachte, ich tu’ dir was gutes – und jetzt ist es ein totaler Schlamassel. Es tut mir so leid!“ jammerte Gayle. Doch Norea war nicht unversöhnlich: „Ich bin nicht sauer Gayle, ich bin hier nur fehl am Platz. Ich kann bei so was einfach nicht mitspielen. Für mich ist das keine Mysterienschule, sondern bestenfalls eine Hysterienschule!“

Plötzlich lachte ein Mann laut auf und entlarvte sich damit als Belauscher des Gesprächs. Norea und Gayle sahen ihn überrascht an. Es war ‚Indiana Jones’ – der streitlustige Seminargast von gestern. „Sorry, ich fand das gerade wirklich witzig!“ erklärte er. Er machte eine entschuldigende Geste mit einer Hand. In der anderen hielt er einen Obstteller, den er nun den Freundinnen anbot. In Noreas helle Augen trat ein neugieriges Blitzen und sie fragte: „Und wo warst du gestern Abend, Indiana Jones? Ich hab dich beim Abendessen nicht gesehen!“ Der Mann nickte und erklärte, er sei am Tag zuvor morgens um fünf in Cincinnati losgefahren, um zeitig zum „Kindertheater“ im Seminarzentrum zu sein und war nach der enttäuschenden Veranstaltung einfach schlafen gegangen – damit er für die heutige Rückfahrt wieder fit war. Dann fragte er: „Aber wieso Indiana Jones? Ich heiße Joe Night. Außerdem trägt Indiana Jones einen Fedora und ich einen Stetson Hut. Und ich kann auch nicht gut mit ’ner Peitsche knallen. Wenn ich schieße, dann höchstens Fotos.“ Jetzt war Norea plötzlich verlegen – Joe war offensichtlich nicht verkleidet. „Bei dem hier herrschenden kreativen Kleidungsstil ist es für manche schwer zu erkennen, was Kostüm ist und was nicht – insofern ist die Verwirrung meiner Freundin vielleicht verständlich.“ half Gayle. Mit einem heiteren Blick zu Norea erwiderte Joe: „Ach ja, die Verwirrung, die wohl auch ein unpassendes Handyklingeln auslösen kann. Wenn das Gerede nur ein bisschen stimmt, dann hab ich gestern wohl noch einiges verpasst…“ Gayle nickte und stellte sie vor: „Ich bin Gayle Rosenhertz aus New York. Ich fand’s ganz unterhaltsam. Aber meiner deutschen Freundin Norea Danninger war wohl alles zu fremd.“ „Vielleicht ist es eine Frage der Mentalität – Ihr Amis seid einfach hemmungsloser. Ich bin da irgendwie ehrfurchtsgebeutelt und kulturell verklemmt. Ich fand’s schlicht peinlich.“ bemerkte Norea. „Und jetzt willst du auch abreisen?!“ erkundigte sich Joe. „Ich bestelle mir nachher ein Taxi und nehme dann den Bus zurück nach New York City.“ bestätigte Norea. Gayle sah sie schuldbewusst an und Joe fragte: „Darf ich einen Vorschlag machen?!“ „Gerne.“ erwiderte Norea und Joe fuhr fort: „Ich werde nachher zurück nach Cincinnati fahren. Aber vorher wollte ich noch mal einen Gang hier übers Gelände machen. Vielleicht hast du ja Lust mitzukommen? Anschließend bringe ich dich persönlich zur Bushaltestelle – was meinst du?“
Norea zögerte. Joe besser kennenzulernen reizte sie durchaus und das Wetter war ein Traum. Andererseits verlor sie dadurch vielleicht wertvolle Zeit, die sie in New York City verbringen könnte. „Denk ans Abenteuer!“ raunte Gayle ihr zu und Norea nickte schließlich: „Ok!“.

Auszug 2

Als alle genug Fleisch gegessen hatten, so mancher Keramikteller zu Bruch gegangen, und den ersten der Met bereits zu Kopf gestiegen war, ging plötzlich ein Raunen durch den Saal. Alle reckten die Köpfe. Eine weibliche Gestalt mit langen roten Haaren kam in einem taubenblauen Gewand mit dunkelblauem Umhang langsam die Treppe auf der Nordseite der Halle herunter. Die Galerie hatte offensichtlich eine direkte Verbindung zu den Gemächern der fürstlichen Familie. Die junge Frau schritt nun entlang der großen Feuerstelle in der Mitte des Saales auf das Südende zu. Die anderen Gäste begrüßten sie mit erfreutem Rufen. Vytosco begriff, dass es sich um die Prinzessin handelte, die zielsicher auf den freien Platz ihm gegenüber zusteuerte.
Ahez ging absichtlich langsam damit keiner ihre Nervosität wahrnahm. Sie hatte den Iberer schon entdeckt, kaum dass sie an die Brüstung der Galerie getreten war. Ihr Herz schlug bis zum Hals – sollte er es sein, der da leibhaftig aus Fleisch und Blut an ihres Vaters Tafel saß? Während sie durch den Saal ging, vermied sie es, ihn anzusehen – damit das Blut nicht zu auffällig in ihre Wangen schoss und keiner auf die Idee kam, dass sie nur seinetwegen heute am Bankett teilnahm. Stattdessen traf sie die Augen Briacs, dessen Blick erstaunt an der Schwanenkette hängen blieb. Unwillkürlich fasste sie sich in den Ausschnitt und lächelte ein winziges Lächeln – gerade so, dass es nicht unhöflich wirkte, aber auch deutlich so, dass er sich nur ja nichts darauf einbildete, dass sie seine Kette trug. Bei allen Göttern, das hätte ihr gerade noch gefehlt, wenn der Schmied dies als Zeichen wertete, doch einen Zugang zu ihrem Herzen gefunden zu haben. Als sie den Tisch ihres Vaters erreicht hatte, begegnete sie zuerst den Augen Festours, der sie durchdringend ansah. Zweifellos wusste er, was für sie heute auf dem Spiel stand. Sie wich seinem Blick aus und wandte sich Kadvael zu, der ihr überrascht zunickte: „Was verschafft uns die Ehre Deiner Gegenwart, werte Schwester?“ Die anderen am Tisch hielten im Gespräch inne, die Antwort interessierte auch sie. Ahez konnte unmöglich die Wahrheit sagen, ohne sich in Verlegenheit zu bringen und doch mochte sie auch nicht lügen. Lächelnd erklärte sie: „Ich habe Festour heute üben hören und wollte seinen Vortrag nicht verpassen.“ Das war nicht gelogen. „Darüber hinaus habe ich von unserem Gast aus dem Süden erfahren und so hat mich wohl auch die Neugier hierher getrieben!“ fügte sie charmant hinzu. Und jetzt war es unvermeidlich: sie musste den Fremden ansehen. Ganz langsam hob sie den Blick und sah direkt in seine Augen. Dunkel waren sie, dunkler als die dunkelste Nacht. Ahez erschrak. Gleichzeitig geschah etwas Außergewöhnliches in ihrem Herzen. Sie fasste sich an die Brust und lenkte ihre Aufmerksamkeit nach Innen. Es war ein ganz erstaunlicher Schmerz, nicht unangenehm aber doch spürbar. Als ob ein Lichtstrahl sie getroffen hatte, klar und fein, aber stechend wie eine glühende goldene Nadel. Es war, als ob ihr Herz entflammte. Sie hatte andere oft von diesem Gefühl sprechen hören und es immer als betuliches oder romantisches Geschwätz abgetan. Aber jetzt brannte etwas in ihr. Sollte es tatsächlich die Liebe sein? Die Liebe, nach der sie sich länger gesehnt hatte, als sie sich erinnern konnte? Sie neigte den Kopf etwas, so dass ihr die Haare seitlich über die Wangen fielen und deren erneutes Glühen hoffentlich etwas verbargen. Doch Festour entging nichts.
Solomon legte die Hand auf die Schulter des Fremden und stellte ihn vor: „Ahez, das ist Vytosco…“ „von Llanastor aus Gadir, vom Stamm der Barkiden in Iberien.“ vollendete Vytosco den Satz und Ahez hörte zum ersten Mal seine Stimme. „Willkommen in Kerne.“ wollte sie sagen, aber sie brachte nur ein Flüstern zustande. Gradlon hob überrascht die Augenbrauen und sah seine Tochter prüfend an. Erstaunt stellte er fest, dass er sie noch nie so schüchtern erlebt hatte. Was hatte das Frauenzimmer nur in diese Verfassung gebracht und dann auch noch dazu bewogen, am Bankett teilzunehmen? Doch nicht etwa der Fremde? Gradlon wusste wohl, dass er auf ihren Wunsch heute am Bankett teilnahm – so viel hatte Paskou ihn wissen lassen. Aber Gradlon hatte es für die übliche Neugier auf alles Fremde gehalten. Jeder Gast, der ihnen neues aus fremden Ländern schildern konnte und wollte, war den Venetern grundsätzlich sehr willkommen! „Was treibt euch nach Kerne? Ihr seid doch kein Händler?“ sprach Kadvael den Iberer an. Vytosco schüttelte den Kopf und erwiderte: „Nein, ich tauge nicht zur Krämerei!“ Dann warf er den Kopf stolz in den Nacken und erklärte: „Ich bin auf der Durchreise. Unterwegs nach Camelot, zum Hof von König Arthus‘ – ich will ein Ritter seiner Tafelrunde werden!“ Das sagte er so ernst, dass nur Festour sich traute in seinen Bart zu schmunzeln, während er die Lippen hinter seinem Metbecher verbarg. „Na dann, auf Euer Wohl“ sagte er, bevor er den Becher ansetzte und trank. „Es soll wohl einige geben, die sich zum Ritter der Tafelrunde berufen fühlen.“ bemerkte Narbred und fuhr fort: „Doch nicht jeder wird zugelassen – was gibt euch die Gewissheit, Artus zu überzeugen?“ „Seid Ihr von so außergewöhnlichem Schlage wie Lancelot oder habt ihr eine so bemerkenswerte Legende wie Gawain?“ fragte Kadvael frech. Vytosco schüttelte bescheiden den Kopf und erklärte: „Ich fürchte, ich habe nichts, außer dem Vertrauen in die Führung meines Gottes.“ Er legte die Hand auf sein Wams, an die Stelle worunter sich sein Kreuz befand, wie Festour richtig vermutete. Der Druide sah zu Ahez, aber ihre Sinne schienen getrübt. „Wohl an – viel Glück Euch!“ sprach Eder und erhob erneut seinen Becher. „Danke, das wird gewiss nicht schaden!“ erwiderte Vytosco freundlich und stieß mit dem Parisier an.

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