Am vergangenen Freitag, den 26. Juni 2015 hat der oberste amerikanische Gerichtshof entschieden, dass die gleichgeschlechtliche Ehe nun in den gesamten vereinigten Staaten legal ist. Damit wurden auch Regelungen in den einzelnen Bundesstaaten unwirksam, die das teilweise noch verboten hatten.
Für die Amerikaner war das ein großer historischer Moment und für viele ein Feiertag. Alle meine amerikanischen Facebookfreunde haben an dem Tag ihr Profilbild regenbogenfarben eingefärbt. Ich habe mich sehr mit ihnen gefreut. Auch, weil ich finde, dass dies ein wichtiger Schritt zu einer gesamt gesellschaftlichen – diesbezüglich auch globalen – Balance ist. Für mich bedeutet es die Anerkennung unserer Gleichheit als Menschen und in diesem Bewusstsein zu leben und zu handeln.
Nationale Unterschiede bei der gleichgeschlechtlichen Ehe
In Deutschland sieht die Situation leider noch ganz anders aus. Bei uns können gleichgeschlechtliche Paare nur eine sogenannte „eingetragene Lebenspartnerschaft“ schließen. Die enthält die gleichen Pflichten, aber weniger Rechten als die Zivilehe. Eine Ausnahme gibt’s nur, wenn in einer bestehenden heterosexuellen Ehe einer der Partner sein Geschlecht ändert…
Doch trotz der großen Zustimmung der Mehrheit der Deutschen und massivem Engagement der deutschen LGBT-Bewegung beziehen unsere Politiker nach wie vor keine klare Stellung. Sie wollengewisse Wähler nicht verlieren. Denn dazu gehören auch viele Christlich-Konservative. Diese meinen, die Institution der Ehe diene vor allen Dingen der Fortpflanzung zum Bevölkerungserhalt. Doch möglicherweise haben sie im Biologieunterricht mehr gebetet, statt aufgepasst… Denn sonst wüssten sie, dass Kinder auch außerhalb von Ehen gezeugt werden und es jede Menge kinderloser Ehen und auch Adoptionen in- und außerhalb von Ehen gibt.
Gesellschaftlicher Wandel ist ein Segen!
Offenbar wird das, was eine Ehe bzw. eine Familie ausmacht, in unserer Welt oft religiös und grundsätzlich kulturell und gesellschaftlich definiert. Damit ist sie den entsprechenden Entwicklungen ausgesetzt, die der gesellschaftliche Wandel natürlich mit sich bringt. Unsere Familienstrukturen haben sich besonders seit dem zweiten Weltkrieg massiv verändert und werden es auch immer weiter tun. Viele Dinge, die für unsere Großeltern noch unvorstellbar oder strafbar waren, lohnen heute nicht mal mehr der Empörung.
Dazu gehörte in Deutschland zum Beispiel bis in die 60er Jahre die Strafbarkeit von „Kuppelei“, wegen „vorsätzlicher Förderung von Unzucht“. Gemischt geschlechtliche Wohngemeinschaften waren damals unmöglich, weil sich der Vermieter strafbar machte. Schon ein Besuch bei jemandem des anderen Geschlechts, der alleine wohnte, konnte dem Vermieter des Gastgebers große Unannehmlichkeiten bescheren. Da hatten es Homosexuelle – wenn sie diskret genug vorgingen – wiederum einfacher…
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe war ein wichtiger Meilenstein
Ehe und Scheidung, wie wir sie heute in Deutschland kennen, also ohne gesetzliche Vorschrift der Aufgabenteilung in der Ehe, sowie mit gleichberechtigtem Entscheidungsrecht (Frauen brauchten z.B. die schriftliche Erlaubnis ihres Mannes, um Arbeiten gehen zu können) sowie der Umstellung des Scheidungsrechts vom Schuld- auf das Zerrüttungsprinzip gibt es in der aktuellen Form in Deutschland erst seit 1977.
Hinzu kommen noch viele Regelungen zu Mutter- und Vaterschaft, dem Sorgerecht und im Scheidungsfall mit Kindern. In diesen Bereichen gibt es aktuell noch immer heftige Diskussionen. Auch unabhängig davon, ob ein Paar verheiratet war oder nicht. Das gilt für hetero- wie für homosexuelle Paare. Doch in jedem Falle ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe auch eine wichtige Voraussetzung für die gleichgeschlechtliche Ehe.
Das Heiraten mit staatlicher Anerkennung ist homosexuellen Paaren weltweit seit 2001 möglich. Die Niederländer waren die ersten. Dieser Trend scheint vor allem in den westlichen Ländern unaufhaltsam und sogar das katholische Spanien legalisierte dies 2005. Doch in den muslimischen Ländern ist nicht nur die Homo-Ehe noch völlig unmöglich, sondern Homosexualität als solches noch immer strafbar.
In manchen Ländern wird es wohl noch länger dauern…
Es wird also wohl noch eine grausame Weile dauern, bis die vergnügliche Vision des deutschen Karikaturisten Klaus Stuttmann Gestalt annehmen kann: Sie zeigt einen Araber mit Bart und Sonnenbrille, sowie langem Gewand und Palästinenser Tuch auf dem Kopf. Er wird gefolgt von einer Gruppe von acht lang bewandeten Arabern, mit Bart und Sonnenbrille und mit Palästinensertüchern auf dem Kopf. Die Überschrift lautet: „Der Prinz und sein Harem“, die Unterzeile: „Die Homoehe ist nicht mehr aufzuhalten.“
Ich persönlich finde übrigens, dass gerade viele homosexuelle Paare zum Werteerhalt von Ehe und Familie beitragen. Anders als uns Medien und Vorurteile oft Glauben machen, sind Polygamie und Promiskuität unter ihnen keineswegs weiter verbreitet, als unter Heterosexuellen. Das hat nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun.
Traditionelle Werte werden besonders in gleichgeschlechtlichen Beziehungen gepflegt
Nach meiner Beobachtung und Erfahrung mit den homosexuellen Paaren in meinem persönlichen Umfeld werden nirgendwo sonst die Ideale von Partnerschaft, respektive Ehe und Treue so geachtet, wie bei ihnen. Nicht nur, dass sie oft die stabilsten und längsten Beziehungen führen. Sie pflegen auch bürgerliche Traditionen auf exquisite Weise. Sie backen beispielsweise phantastische Plätzchen zu Weihnachten, schmücken bezaubernde Ostersträuße und verpacken feine Geschenke auf originelle Weise. Außerdem bügeln sie phantastisch, haben höchst gepflegte Gärten und liebevoll gestaltete Wohnungen. Sie könnten einem geradezu spießig vorkommen – wenn nicht eben ihre sexuelle Veranlagung genau das verhindern würde.
Auch wenn es vielleicht eine Art der Kompensation sein mag, dass homosexuelle Paare sich um Traditionserhalt oft mehr bemühen als heterosexuelle Paare, so ist es doch als Basis für den gesellschaftlichen Bestand der Werte von Ehe und Familie großartig! Diese Stabilität und Beständigkeit ist auch genau das, was Kindern in ihren heterosexuellen (Patchwork)-Familien oftmals fehlt. Also kann ich auch die Adoption von Kindern durch Homosexuelle persönlich nur befürworten.
Bewusstere und achtsamere Beziehungen!
Gerade weil sie es selbst als Kinder meist nicht so leicht hatten, gehen sie mit Beziehungen zu ihrem Partner und auch zu Kindern meist sehr achtsam um und bemühen sich, Kindern einen gesunden Selbstwert zu vermitteln. Dabei bin ich ganz sicher, dass die Kinder gerade auch in ihrer geschlechtlichen Identität geachtet und unterstützt werden. Vielleicht lernen sie viel bewusster mit ihrer eigenen Weiblichkeit oder Männlichkeit umzugehen, als es Kinder heterosexueller Paare tun und das kann für die gesamte Gesellschaft nur von Vorteil sein! Die Zukunft wird es zeigen!