Weibliche Superkräfte

660 480 Elisabeth Karsten

Endlich habe ich mit einer lieben Freundin den Film Wonder Woman (USA 2017) im Kino angesehen. Verschiedene Kritiker haben den Film als beste Comic-Verfilmung seit einer Weile gefeiert. Die hohen Zuschauerzahlen und Einspielergebnisse haben das untermauert. Allgemein gilt der Film jetzt als gelungene Öffnung für mehr Weiblichkeit im Superheldengenre.

Ein Film für Männer und Frauen!

Spaß macht der Film auf jeden Fall: die Schauspieler sind gut, die Story funktioniert und die Figuren sind spannender und etwas tiefgründiger, als man vielleicht erwartet. Besonders großartig ist er fürs Auge: phantastische Ausstattung, tolle Kamera, guter Schnitt und eindrückliche Spezialeffekte und natürlich Action, Action, Action: es wird gejagt, gekämpft und zerschlagen, dass es schier eine Oper von Scheppern, Krachen und Knallen ist. Und die Hauptdarstellerin macht das alles großartig mit der richtigen Mischung aus Anmut, Eros und Aggression!

Wonder Woman wird dargestellt von der jungen Israelin Gal Gadot, deren Karriere als Miss Israel begann. Außerdem war sie in der heimischen Armee. Sie hat offensichtlich ein kämpferisches und auch tänzerisches Talent, denn sie verfügt über die entsprechende Körperbeherrschung. Im Übrigen ist sie verheiratet und hat zwei Töchter. Als sie auf einer großen Filmgala zwar im Abendkleid, jedoch flachen Schuhen erschien, wurde sie von verblüfften Reportern gefragt, wieso sie denn keine High Heels trage. Freundlich erklärte sie: ‚Weil es bequemer ist!‘ Also offenbar bodenständig und sympathisch die Dame!

Eine Frau führte erfolgreich die Regie

Interessant ist außerdem anzumerken, dass mit Patty Jenkins eine Frau Regie führte und mit dem Film den höchsten Umsatz einfuhr, den eine weibliche Regisseurin bisher geschafft hat. D.h. Wonder Woman war deutlich auch für Männer tauglich und hoffentlich muss man das in näherer Zukunft auch nicht mehr ausdrücklich erwähnen. Denn natürlich können sich Männer auch für eine weibliche Superheldin begeistern, erst recht in ihren favorisierten Genres. Und Jenkins scheut die traditionell männlichen Genres wie Action und Horror keineswegs, wie ihre Filmografie zeigt.

Jenkins meinte zu ihrem Film, dass Wonder Woman am Ende erkennt und es auch sagt, dass es ultimativ um die Liebe geht! So wahr ich das finde, so finde ich es doch nicht so richtig schlüssig im Film – zumal ihr der Gedanke kommt, als sie einen Panzer über ihrem Haupt schwingt, um ihn auf dem kauernden weiblichen Bösewicht niedergehen zu lassen. Mir kam da eher der Gedanke, dass sie das Potential für ein Sequel nicht ruinieren will. (Wobei mich ein kluger Leser inzwischen darauf hinwies, dass sie keine Wahl hat, weil sie den Panzer laut Wikipedia zur Tötung ihres bösen Vaters braucht, siehe Kommentar!).

Aber ja, am Ende erklärt Diana Prince, alias Wonder Woman, dass es sich immer lohne für Liebe und Gerechtigkeit zu kämpfen – und wer würde ihr da widersprechen wollen?

Wonder Womans Ursprung

Wonder Woman ist traditionell deutlich eine Amerikanerin. In der Regel ist ihr Heldenkostüm in den Farben der US-Flagge gehalten. Im Film jedoch weniger, da wird ihre griechisch-göttliche Herkunft betont und die Handlung spielt in einem vom ersten Weltkrieg gebeutelten Europa. Aber die Figur ist viel älter als der Film. Sie wurde bereits 1941 dem Comic Universum hinzugefügt.

Max Gaines, der Herausgeber der DC Comics machte sich Anfang der 40er Jahre Gedanken, dass die Comics vielleicht zu gewaltvoll für seine jugendlichen Leser seien. Er wandte sich an seinen Berater William Marston. Dieser war nicht nur ebenfalls ein Comicbuch Autor, sondern auch ein Psychologe. Darüberhinaus war dieser selbst stark geprägt von unkonventionellen und selbstbewussten Frauen seiner Zeit. Er selbst lebte mit seiner Frau und seiner Geliebten und vier gemeinsamen Kindern unter einem Dach. Laut Legende sagte Marston zu Gaines: ‚Was du brauchst, ist ein weiblicher Superheld. Sie wird so stark wie Superman, aber im wesentlichen Pazifistin sein. Sie wird für die Demokratie kämpfen, aber für die Gleichberechtigung der Frau. Und ihre Superkräfte werden Liebe, Wahrheit und Schönheit sein.‘ Max Gaines wollte den Versuch wagen. Doch ich kenne die Originalcomics nicht, weiß also nicht, in wie weit sich dieser Ansatz durchsetzte.

Wie super ist die Superfrau?

Aber wenn man mich jetzt fragen würde, ob ich finde, dass die jüngste Wonder Woman spezifisch weibliche Kräfte hat, die sie als Superheldin auszeichnen – müsste ich passen. Sie ist zwar zweifellos schön und steht auf Wahrheit. Zumindest im Film konfrontiert sie andere, vornehmlich Männer gnadenlos. Beispielsweise mit ihrer Haltung zur Rettung Unschuldiger bei der es ihnen an Mitgefühl mangelt. Und Liebe mag ihre Motivation sein, ist aber entschieden nicht ihre Kraft. Diese besteht, wie auch bei ihren männlichen Kollegen, vor allem in einer physischen Überlegenheit gegenüber den Gegnern. Das heißt, sie wirkt zwar femininer – nicht nur wegen ihrer herrlichen sexy Ausrüstung. Aber auch sie lässt die herrschenden Konflikte, wie ihre männlichen Kollegen letztlich mit Kraft, Gewalt, etwas Magie (sie kann fliegen und Kraftwellen erzeugen) und Kampfeskunst.

Ähnliches gilt auch für die neue TV-Serie ‚Supergirl‘. Die versucht mit der Einführung von ‚Supermanns Cousine‘ (und noch einem ganzen Rattenschwanz an Verwandtschaft vermeintlich bei der planetaren Katastrophe abhanden gekommener Kryptoniden) ebenfalls, das Genre auf das Weibliche auszudehnen.

Supergöre

Auch ich fand während meiner Filmstudienzeit Ende der 90er Jahre in den USA, dass es dafür Zeit wäre. So kreiierte ich eine Geschichte, in der Supermann mal eine Affäre mit einer australischen Olympia-Schwimmerin hatte. Die Frucht dieser Begegnung wird mit Einsetzen ihrer Periode von ihren Superkräften überwältigt. Nach verschiedenen Besuchen bei Ärzten und Psychologen, die alle erklären, dass dies keine vorübergehende Erscheinung der Pubertät ist und in der Tat außergewöhnlich, rückt dann Mutti mit der Sprache heraus. Sie erzählt, dass sie mal eine Nacht mit einem Amerikaner mit rotem Umhang verbracht hat…

Daraufhin entschließt sich die Heldin ihren Papa aufzusuchen – natürlich entgegen dem Wunsch der Mutter. Aber wer kann sich schon gegen einen Teenager mit Superkräften durchsetzen? Also reist sie nach Amerika und lernt dabei mit ihren Fähigkeiten immer besser umzugehen. Sie zieht allerdings auch die Aufmerksamkeit gegnerischer Kräfte (das Genre erfordert diese) auf sich. Das ganze kulminiert darin, dass sie auf der Suche nach ihrem Vater direkt in die Arme ihrer Feinde läuft, nur um festzustellen, dass diese bereits Superman in ihrer Gewalt haben. Aber gemeinsam schaffen sie es (natürlich) sich zu befreien und die Welt erneut zu retten…

Die Supergöre bleibt eine schöne Idee

Zwei Dinge setzten der weiteren Entwicklung dieser schönen Idee ein Ende. Zum einen erklärte der Professor, in dessen Kurs ich das Konzept entwickelt hatte, dass die Rechte an Supermann und allem, was da dran hängt, bei Detective Comics läge. Diese würden diese Rechte nie abtreten. Sie seien auch nicht bereit, Vorschläge, die nicht exakt den Regeln für ihre Superhelden entsprechen – die ja etablierte Charaktere im Marvel-Universum sind – zu akzeptieren. Und meine Supergöre würde da deutlich aus dem Rahmen fallen.

Des weiteren meinte ein Kommilitone, es gemahne ihn an den Roman ‚Carrie‘ von Stephen King. In diesem entwickelt eine sechzehnjährige von klein auf und erst recht ab ihrer ersten Periode massive telekinetische Fähigkeiten. Wie bei Stephen King üblich, eskaliert das ganze auf äußerst gruselige Weise. Der Roman endet mit einem Massaker, bei dem auch die Heldin stirbt. Solche Assoziationen zu wecken, hatte ich natürlich überhaupt keine Lust.

Aber auch ich erlag damals der Verführung, einfach eine Frau mit supermännlichen Kräften auszustatten.

Was würde wirklich inspirieren?

Heute frage ich mich, ob mich das als junge Zuschauerin wirklich inspiriert hätte. Ich meine sicher würden ein paar Mädels daraufhin mehr Neugier auf Kampfsport etc. haben. Aber das war nie meins. Das wirft also die Frage auf, welche superweiblichen Kräfte denn wirklich inspirierend wären? Sogar so motivierend, dass man Lust hätte mit ihrem Einsatz unsere Welt zu einer besseren zu machen. Denn das ist ja immer das Ziel aller Comic-Helden!

Und ja, natürlich fände ich es spannend, Telekinese zu beherrschen, wie Carrie oder, die klassischen Supermanfähigkeiten, wie fliegen – mit Cape und ohne hängen zu bleiben. Auch den Röntgenblick, das Supergehör, und die relative Unverwundbarkeit. Außerdem natürlich hätte auch die Superkraft, schwere Einkäufe mit dem kleinen Finger tragen zu können und falls nötig, das Auto hochkant parken zu können, ihren Reiz. Trotzdem sind das irgendwie supermännliche Fähigkeiten.

Doch für Gerechtigkeit und Frieden zu sorgen, indem man alles in Schutt und Asche legt, finde ich nicht nur unbefriedigend, sondern irgendwie auch langweilig!

Echte weibliche Superkräfte

Aber was wären denn Möglichkeiten, mit weiblicheren Superkräften Ordnung in unsere chaotische, gewaltvolle und ungerechte menschliche Welt zu bringen? Und damit meine ich nicht Telekinese wie bei Mary Poppins oder der bezaubernden Jeannie. die mit einem Zwinkern mal eben das Kinderzimmer auf Vordermann bringen oder den Haushalt mit einem Kopfnicken erledigen.

Nach einigem Nachdenken habe ich mich für folgende entschieden:

  • Gefühle dekodieren können, bzw. ihren Ursprung erkennen können und damit die Ursache jeglichen Konflikts
  • Menschen von der Angst ins Mitgefühl führen können  – ein Gegner wird ziemlich ohnmächtig, wenn man auf seine Schwäche, seinen Schmerz fokussiert…
  • Durch zärtliches Hand auflegen oder einen warmen Blick heilen können
  • Jegliche Waffen durch einen Blick unschädlich machen zu können.
  • Schwierige Aufgaben in Gemeinschaft bewältigen, wenn z.B. der bedrohliche Tanker durch die Hilfe von Walen unschädlich gemacht wird
  • Mit einer Geste Landschaften wieder ergrünen lassen zu können – aus Kriegsschauplätzen blühende Gärten machen können!

In Anlehnung an meine aktuelle Forschung, was es denn nun mit dieser spezifischen weiblichen Energie auf sich hat, die sich derzeit in unserem kollektiven Bewusstsein Bahn brechen will, würde ich außerdem – wenn ich könnte – ALLE Superhelden dazu ermutigen, künftig von Gewalt und Zerstörung abzusehen und einen weiblicheren, vielleicht softeren, aber sicher auch nachhaltigeren Weg zu wählen.

Denn meiner Meinung nach ist jeder Bösewicht nur böse, weil er zutiefst verletzt und gekränkt wurde. Das zu heilen und Vergebungsarbeit zu machen, wäre sicher lohnender, als sie einfach nur auszuschalten. Des weiteren fände ich Kooperation spannend, nicht nur zwischen den Superhelden und die findet ja immerhin auch schon statt, (z.B. bei den Fantastic Four usw.) sondern vor allem zwischen den Menschen. Großartig wäre auch ein Schulen unseres menschlichen Bewusstseins darin, dass viele Menschen gemeinsam durchaus eine Superkraft darstellen können! Eine Superkraft die viel gutes bewegen kann!

Friedlichkeit als Superkraft

Richtig schick wäre auch, wenn diese Wonder Woman eine solch friedvolle Kraft ausstrahlen würden, dass keiner mehr Lust auf Kampfeshandlungen hat. Gibt es eigentlich Buddha schon als Superhelden? Natürlich auch Liebe und Schönheit – welche Superkräfte daraus erwachsen können, auch für Menschen, weiß jeder, der liebt und von Schönheit schon nachhaltig und zutiefst berührt wurde.

Und wer mir jetzt entgegenhalten möchte, dass das aber weniger unterhaltsam ist, weil es weniger Action erfordert, dem entgegne ich, dass ich absolut sicher bin, dass man das reizvoll visuell umsetzen kann. Auch bei mehr psychologischem Tiefgang braucht man nicht mehr Dialog. Im Gegenteil. Außerdem bin ich der ewigen Kriegsszenen müde – ich fände visuell den Einsatz von Fischen bei der Rettung der Ozeane oder der Vögel zur Rettung der Lüfte viel origineller!

Ich bin sicher, da ist noch viel Spielraum – und ich bin gespannt, wie sich das Genre weiterentwickelt und welchen Wandel Wonder Woman und Kollegen noch erfahren werden . Denn gerade die Comicheftliteratur spiegelt unseren Zeitgeist besonders deutlich…