Von der Venus mit Penis zu Conchita Wurst, Teil 2

568 652 Elisabeth Karsten

Von der gesellschaftlichen Provokation ist der Weg nicht weit zur Unterhaltung. Denn schon immer wurden auf der Bühne Dinge gewagt und gesagt, die im Alltag unvorstellbar waren… Ein wesentliches Element war dabei der Rollentausch.

Verkleidung und Rollentausch der Geschlechter gab’s immer schon

Auch wenn von den antiken griechischen Theaterstücken nur ein Bruchteil überliefert ist und es keine entsprechenden Hinweise gibt… So halte ich es doch für absolut möglich, dass in irgendeinem Satyrspiel – einer komischen Einlage zwischen den ernsten Tragödien, der eine oder andere Mann zur Gaudi des Publikums in eine Frauenrolle schlüpfte… Denn selbst die griechischen Götter verkleideten sich gelegentlich als Person des anderen Geschlechts. Und es gab den im vorigen Artikel erwähnten Aphroditekult, bei dem die Geschlechter die Rollen tauschten. Ob es nun intendiert war oder nicht: das wird auch durchaus unterhaltsam gewesen sein…

Überhaupt wird die Verkleidung als Vertreter des anderen Geschlechts schon immer Teil der Volksbelustigung gewesen sein. Besonders zu bestimmten Festen, bei denen Verkleidung ein zentrales Element ist. Wie beispielsweise im europäischen Karneval, bei dem inzwischen fast globalen Halloween oder dem jüdischen Purimfest.

Männer als Frauen als Männer…

Bekanntermaßen war Frauen in Westeuropa die Bühne und das Tragen von Männerkleidung lange verwehrt. So mussten Schauspieler die Frauenrollen übernehmen. Eine hübsche Illustration dessen ist der Film „Shakespeare in Love“. Dieser zeigt, wie ungewöhnlich es im Elisabethanischen Zeitalter gewesen wäre, wenn eine Frau auf der Bühne erschienen wäre.

Doch als die Theater 1660 in England wieder eröffnet wurden, traten erstmals weibliche Darsteller auf. Kurz darauf sogar auch in Männerkleidung. Unabhängig davon, ob die Figuren nun von Männern oder Frauen dargestellt wurden, hat Shakespeare in mehreren Stücken den zum Teil mehrbödigen Rollentausch zur Unterhaltung eingesetzt. Z.B. in Was Ihr Wollt: so verkleidet sich die junge Viola (gespielt von einem Schauspieler) als ihr Zwillingsbruder Sebastian (eine klassische Doppelrolle bei Shakespeare, denn beide haben keine gemeinsame Szene) und nennt sich Cesario. Als solcher gerät er zwischen die Liebesfronten, eines Fürsten, der eine Edelfrau liebt, die aber „Cesario“ liebt, während Viola in Wirklichkeit den Fürsten liebt… Glücklicherweise taucht der tot geglaubte Bruder am Ende auf und bringt Ordnung in alle Angelegenheiten…

Hohe Stimmen sind nicht unmännlich

In den Barockopern war es anfangs nicht selbstverständlich, dass Darstellergeschlecht bzw. Stimmlage und Rollengeschlecht übereinstimmte. Die Hauptrollen wurden von Kastraten und Frauen übernommen, deren „engelsgleicher“ Gesang als besonders anziehend galt. Dass eine besonders hohe Stimme der kraftvollen Männlichkeit eines Feldherrn vielleicht nicht ideal entspricht – daran störte sich damals niemand. Jeder sang die Partie, für die sich seine Stimme am besten eignete. Kastrat und Sopranistin tauschten sogar in der Berliner Uraufführung von Cleopatra e Cesare in Berlin im letzten Akt die Rollen, um die Oper musikalisch zu Ende führen zu können.

Als die Kastraten aus der Mode kamen, setzte sich die heterosexuelle Ordnung auch auf der Bühne durch. Allerdings wurden Opern und Operetten mit Gesangseinlagen für Männerrollen mit hohen Stimmen noch immer komponiert und gespielt. Diese wurden dann von Frauen in sogenannten „Hosenrollen“ übernommen. Das bot auch noch einen pikanten Bonus, weil einen Blick auf das Bein einer Frau zu erhaschen, damals als höchst verwegen galt.

Charlys Tante und die Travestiekünstler

Im Übrigen leuchtet es ein, dass der Rollentausch natürlich dann besonders reizvoll und unterhaltsam ist, wenn die Geschlechterrollen in der Gesellschaft ansonsten ziemlich rigide sind. Insofern war der enorme Erfolg des englischen Theaterstücks „Charlys Tante“ von Brandon Thomas aus dem Jahr 1892 nicht wirklich überraschend. Die Farce erzählt von zwei Studenten, die mit zwei jungen Damen ausgehen wollen. Dazu brauchen sie aber eine Anstandsdame. Weil die erhoffte Tante von Charly nicht rechtzeitig eintrifft, überreden sie einen Freund, eben diese Tante zu mimen…

Heute nicht mehr so bekannt, dafür zu ihrer Zeit umso mehr war die Britin Vesta Tilley (1864-1952). Sie baute in ihren Bühnenshows auch diverse Sketche ein, in denen sie die Männer ihrer Zeit karikierte. Sie war über dreißig Jahre lang ein Star in der englischsprachigen Welt. Und sie war nicht die einzige, die als Frau mit der Imitation von Männern großen Erfolg hatte. Dragkings hat es genauso oft und prominent gegeben, wie Dragqueens – gerade an Orten, wo diese Kunst besonders populär ist, wie z.B. in San Francisco – von jeher eine Hochburg der „queeren Szene“.

Die Kunst der Dragqueens

Populärität über die „Szene“ hinaus erlangten meines Wissens in jüngster Zeit vor allem Dragqueens, wie „Dame Edna Everage“. Sie ist das Alterego des australischen Komikers und erfolgreichen Autors Barry Humphries. Mit dieser Figur trat der Komiker zum ersten Mal 1955 auf und hatte schließlich ihre Blüte mit einer eigenen Fernsehshow in England. Diese wurde schließlich in den 80er und frühen 90er Jahren auch international ausgestrahlt.  Danach tauchte die Figur regelmässig in einer britischen TV-Serie auf. Die 2000er Jahre waren geprägt von ihren Auftritten in einer zwei Personen Revue und in diesem Jahr gab Dame Edna ihre Abschiedstour… Barry Humphries ist letztes Jahr 80 geworden!

In Deutschland vielleicht bekannter ist das Travestieduo Mary & Gordy. Alias Georg Preuße und Reiner Kohler waren sie vor allem in den 80er Jahren höchst populär. Doch 1987 musste sich Kohler wegen eines Rückenleidens von der Bühne verabschieden und starb 1995 an Krebs. Preuße setzte seine „Mary“-Karriere bis in die 2000er Jahre solo fort.

Sowohl Humphries als auch Preußes und Kohlers Figur waren charakterisiert durch eine Überzeichnung des Weiblichen, viel Frivolität und grandiosen Kostümen – was typisch für das Genre der Travestie ist.

Gender-crossing zur Unterhaltung

Möglicherweise ist der Billy Wilder Film „Some like it hot“ (USA 1959) der lustigste „cross-dressing“ Film. Aber vielleicht weniger, wegen der beiden Musiker, die sich um der Rache der Mafia zu entgehen als Frauen verkleiden und fortan in einer Frauenband spielen. Sondern weil der Film mit Tony Curtis, Jack Lemmon und Marilyn Monroe grandios besetzt ist und vor genialen Dialogzeilen nur so strotzt. Als ich den Film in den 80ern das erste Mal sah, habe ich Tränen gelacht. Doch als ich den Film vor einigen Jahren noch einmal sah, konnte ich mich zwar an Schauspiel, Dialog und Dramaturgie noch immer begeistern – doch das cross-dressing Element erschien mir eigentümlich überholt. Außerdem empfand ich den Film auf unterschwellige Weise als gleichzeitig männer- und frauenfeindlich…irgendwie menschenverachtend. Was, wenn man Wilders‘ Biographie in Betracht zieht gar nicht so abwegig ist.

Vielleicht werde ich ihn nächstens noch einmal ansehen und meine Wahrnehmung überprüfen. Denn möglicherweise zeigt sich daran der Wandel unseres Zeitgeistes deutlicher, als man meinen möchte.

Eins der erfolgreichsten Bühnenstücke der 70er Jahre war „La Cage aux Folles“, was dann auch 1978 von den Franzosen verfilmt wurde. Die Handlung ist so simpel, wie spassig: ein Showproduzent und sein Travestiestar sind ein glückliches homosexuelles Paar mit Glamourfaktor.  Das alleine garantiert schon eine gewisse Komik. Doch wird ihre Harmonie auf die Probe gestellt, als der Sohn des Produzenten aus seinem heterosexuellen Vorleben auftaucht. Und zwara mit seiner Verlobten und deren hochkonservativen Eltern. Um die Verlobung nicht zu gefährden, entschließt sich der Travestiekünstler auch im „normalen Leben“ die „Mutter“ zu spielen… Ebenfalls aus den Siebzigern stammt der Klassiker „Rocky Horror Picture Show“(USA 1975), ursprünglich ein Bühnenmusical, wurde es schließlich verfilmt. In dem Stück werden alle möglichen Grenzen auf unterhaltsame Weise überschritten werden und eben auch die Grenzen der Gender-Konventionen.

Auch Geschlechtertausch kann zum Trend werden

1982 kamen gleich zwei Filme zum Thema heraus, und – wie es der Zeitgeist so oft will – in eigentümlicher Komplementarität:

Der britische Filmhit Victor/Victoria, in dem die Engländerin Julie Andrews eine arme Sopranistin spielt, die erst Erfolg hat, als sie sich als „Graf Viktor Grazinski“ ausgibt, der Frauen darstellt… (Übrigens ein Remake eines deutschen Films von 1933.) ist gewissermaßen das Gegenstück zu dem amerikanischen Filmhit Tootsie: Dustin Hoffmann spielt einen brillanten Schauspieler, der als so schwierig gilt, dass keiner mehr mit ihm arbeiten will. Also gibt er sich als Frau aus und wird schließlich zum Fernsehstar…

Mitte der 90er Jahre war die Darstellung des bunten, aber auch zwiespältigen Lebens von Dragqueens noch so populär, dass die Amerikaner 1996 ein erfolgreiches US- Remake von „La cage aux folles“ mit Robin Williams und Nathan Lane in den Hauptrollen produzierten. Und auch der australische Independent-Film „Priscilla, Königin der Wüste (AUS 1994)“ wurde zum internationalen Erfolg. Eher eine Tragikomödie, erzählt der Film vom Schicksal dreier Dragqueens auf und abseits der Bühne.

Mit „The Crying Game“ (IRL 1992) erhält das Thema Einzug in das Genre des Psychothrillers. Vor dem Hintergrund der politischen Probleme Irlands wird auch die Vielfalt von Sexualität reflektiert.

Homosexualität wird oft mit berührt

Und weil seit mitte der 80er Jahre die Anzahl der Aidstoten immer weiter stieg, bekamen Homosexualität und Gender-Crossing eine neue, ernstere Aufmerksamkeit. Das mehrfach preisgekrönte Theaterstück „Angels in America“ (USA 1993) erzählt das Schicksal eines schwulen Paares, von dem einer an Aids erkrankt. Auf verschiedenen Handlungs- und Bewusstseinsebenen (viele der Figuren sind Engel und Geister) wird das Geschehen reflektiert. Es geht um Politik, um Homosexualität und um die amerikanische Geschichte.

Das Stück ist so geschrieben, dass mehrere Schauspieler mehrere Rollen übernehmen müssen und dafür mehr als einmal auch das andere Geschlecht darstellen.

Auch der spanische Filmemacher Pedro Almodovar liebt Figuren, die sich nicht eindeutig festlegen lassen und in seinem ebenfalls preisgekrönten Film „Alles über meine Mutter „(E 1999) spielen Transgender-Männer eine wichtige Rolle. Wiewohl der Film über die Almodovareske Dramaturgie verfügt in der höchste Tragik und höchste Komik berührend nah beieinander liegen und sich oft kreuzen, so zeigt er doch auf unaufdringliche Weise, wie zerrissen Transgender-Menschen oft sind. Es ist selten ein einfaches Schicksal – wenn ein Mensch von sich feststellt, dass sein Körper nicht zu seiner gefühlten geschlechtlichen Identität passt.

Trotz des anhaltenden Erfolgs von „La cage aux folles“ und vielen Dragqueen und einigen Dragking-Bühnenshows in vielen westlichen Großstädten, ist neben der Travestie nun auch der ernstere Aspekt der Gender-Mannigfaltigkeit Unterhaltungstauglich – und zwar durchaus auch in ernsten und dokumentarischen Darstellungen.

Die amerikanische Schauspielerin Glenn Close spielt die Titeltrolle in dem Film „Albert Hobbs“ (Irl/GB 2011), der die Geschichte einer Frau erzählt, die sich als Butler ausgibt, weil sie darin ihre einzige Chance sieht im Dublin des 19. Jahrhunderts selbstbestimmt zu leben.

Auch im Fernsehen gibt es inzwischen einige Serien, vor allem in Amerika, wo transgender-Charaktere mal als Haupt, mal als Nebenfiguren zu sehen sind, teilweise auch von echten transgender-Menschen gespielt.

Und natürlich reale Transgendergeschichten

2012 entschloss sich der deutsche TV Sender RTL 2 eine Doku-Serie auszustrahlen mit dem Titel „Transgender – Mein Weg in den richtigen Körper“. Darin werden sieben Transgender Personen auf ihrem Weg durch ihre Geschlechtsumwandlung begleitet. Dabei kommen auch Ärzte und Psychologen zu Wort. Bisher gibt es zwei Staffeln dieser Serie.

Und auch die Online-Plattformen widmen sich dem Thema. Amazon hat eine Serie mit dem schönen Titel Transparent (auf Englisch auch lesbar als Trans-Elternteil) produziert, in der ein älterer, geschiedener Vater beschließt, endlich einen langgehegten Wunsch zu verwirklichen und als Frau zu leben… Auch Netflix hat eine Transgenderfrau unter den Protagonisten seiner neuen Serie Sense8 – die auch tatsächlich von einer Transgenderfrau gespielt wird.

Außerdem gibt es übrigens einige Zeichentrickfiguren, die sich gerne mal als Frau verkleiden, wie Bugs Bunny und auch in den japanischen Manga ist das „cross-dressing“ fester Bestandteil der Figurengestaltung. Am bizarrsten vielleicht in den Futanari (das japanische Wort für Hermaphroditismus bzw. Androgynie) – einem pornographischen Genre von Computerspielen, Comics und Zeichentrickfilmen in denen die Figuren beide Geschlechter haben.

Ich glaube, die Entwicklung weit längst über die bereits erwähnten Dragkings und – queens hinaus. Zum einen gibt es längt einige prominente Transgendermänner, wie der Pornostar Buck Angel und Transfrauen, wie zuletzt Caitlyn Jenner, die spektakulär auf dem Cover von Vanity-Fair dieses Jahr ihre Entscheidung einer breiten Öffentlichkeit bekannt gab. Viele hatten auch schon ihren Übergang in der achtteiligen TV-Serie „I am Cat“ gesehen.

Transgender als Kunstform

Der vielseitige Musiker britische David Bowie und die jamaikanische Sängerin Grace Jones müssen unbedingt in diesem Kontext erwähnt werden, denn beide hatten massiven Einfluss auf die Musikszene und die Gesellschaft jener Zeit und teilweise bis heute.

David Bowies schillerndes Spiel mit Geschlechterrollen – wozu sein ohnehin apartes Aussehen mit zwei von Natur aus verschiedenen Augenfarben und markanten Gesichtszügen beitrug – und seine gelegentlich gezielt feminine und mindestens androgyne Erscheinung sowie das Schüren der Spekulationen über seine mögliche Bisexualität, machten sexuelle Mehrdeutigkeit in den 70er Jahren salonfähig.

Grace Jones wurde zunächst als Supermodel bekannt und schließlich als Sängerin. Die Tatsache, dass sie über zwei Oktaven singen kann, über 180 cm groß ist und ihr gezielt androgynes Erscheinungsbild prägte die Popszene der 80er Jahre und die Cross-Dressing Mode dieser Zeit.

Und dann gibt es jene, denen es dabei nicht um das Spektakuläre geht sondern, sondern die das ganze zu einer echten Kunstfigur erheben. In Deutschland haben wir die Kunstfigur Georgette Dee, eine Diseuse, Sängerin und Schauspielerin, deren bürgerlicher, männlicher Name der Öffentlichkeit nicht einmal bekannt ist.

Sie beherrscht perfekt die Gratwanderung zwischen den Geschlechtern – und drückt damit quasi in sich selbst die Faszination für die Qualitäten des anderen aus – indem sie zwischen beidem permanent changiert.

Die Magie der Kunstfigur

Denn das Verhältnis zwischen den Geschlechtern lebt vom Spannungsfeld des gegenseitigen Mysteriums und häufig von Erotik. Besonders, wenn eine Person auf beiden Klaviaturen spielt…

Obwohl es in ihren selbstgeschriebenen Chansons, selten vordergründig darum geht, ob ein Mann eine Frau liebt oder umgekehrt, so geht es doch immer um die Liebe selbst – zu beidem. Georgette lebt wirklich beide Seiten…auf eine poetische, berührende, oft humorvolle, erotische und souveräne Weise. In gewisser Weise ist sie längt ihr eigenes Genre.

Auch die immer gern glamouröse Conchita Wurst ist eine Kunstfigur, immer in Abendkleidern, mit langem Haar, perfektem Make-up – und Bart. Sie ist das Alterego des österreichischen Sängers Tom Neuwirth und wurde bekannt als die österreichische Grandprixsiegerin von 2014. Seit dem ist sie vor allem in der Schwulen- und Lesbenszene eine prominente Figur. Ihr Anliegen ist es Menschen mit ihrer Erscheinung zum Nachdenken anzuregen – über sexuelle Orientierung und das anders sein an sich. Amüsanterweise erinnert ihr Bild viele an Jesusdarstellungen und tatsächlich gibt es Kommentatoren die diesbezüglich Bezüge herstellen. Selbst Kinder erinnern die photographischen Darstellungen oft an den berühmten Erlöser – gerade wegen des zarten, scheinbar weiblichen Gesichts – mit Bart.

Eine Frau mit Männerbehaarung

An dieser Stelle möchte ich auch die junge Britin indischer Herkunft, Harnaam Kaur erwähnen. Sie erlangte vor einigen Monaten Internet-Ruhm. Aufgrund eines speziellen medizinischen Umstands, eines sogenannten polyzystischen Eierstocksyndroms hat sie einen extremen Haarwuchs. Sie ließ sich in den Glauben der Shiks initiieren. Damit akzeptierte sie bewusst, dass sie nun ihren Haarwuchs nicht mehr unterdrücken können würde. Denn das Schneiden von Haaren ist im Shik-Glauben untersagt. Damit hat sie diesen – in ihrem Fall unfreiwilligen – Look beherzt angenommen. Sie entschied außerdem, sich gegen die gesellschaftliche Definition, wie Frauen auszusehen haben, zu wehren. Sie sagt: „Wir müssen begreifen, dass ein jeder von uns anders ist. Wir sind alle unperfekt perfekt. Ich möchte der Gesellschaft zeigen, dass wir alle unsere Individualität feiern können. Ich liebe meinen Bart und werde ihn ewig wertschätzen.“

Symptom des Zeitenwandels

Aber egal ob die Verschmelzung von männlichen und weiblichen Attributen als Kunstfigur oder aufgrund eines mutigen Bekenntnisses zur eigenen Besonderheit Ausdruck findet. Ich glaube, dass die Genderdiskussion derzeit so viel Aufmerksamkeit erfährt, ist ein Hinweis. Genau wie die bereits erwähnte bärtige Venus im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Sie war ein Ausdruck des Übergangs vom Matriarchat zum Patriarchat war. Genauso stehen wir wohl wieder an der Schwelle zu etwas Neuem. Weg vom Postpatriarchat und dem Postfeminismus hin zu etwas, in dem weder das eine noch das andere Geschlecht dominiert. Sondern wo echte Balance und Harmonie möglich sind und wir erforschen können, was uns individuell anzieht und anziehend macht und dabei bewusst unsere Einzigartigkeit feiern – gemeinsam!