Ich muss mal was gestehen: ich stehe auf Männer in Röcken! Und damit meine ich definitiv keine Dragqueens oder Männer in Frauenkleidung!
Sondern echte Kerle – die eben Röcke mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie Jeans tragen.
Als erstes kommen einem dabei wohl Schottenröcke in den Sinn. Beispielsweise das eindrucksvolle Bild einer ganzen Heerschar von Männern in Röcken im Film „Braveheart“ (USA 1995). Vielleicht auch noch die weißen Röcke der griechischen Nationaltracht. Apropos Tracht: auf Inseln mit tropischem Klima tragen Männer ganz selbstverständlich ihre Variation des Sarongs/Hüfttuchs, das rockähnlich ist und dazu bleibt der Oberkörper nackt. Beispielsweise in Indonesien oder auf Hawaii. Auch auch in anderen Ländern mit heißem Klima wird der gerne mal üppige Bauch nicht obendrein noch mit einem Gürtel eingeschnürt: Inder und Araber zeigen, wie das auch in hohem Alter mit Würde geht! Dann gibt es noch viele historischen Krieger. Beispielsweise die römischen Legionäre in ihren kurzen Lederröcken oder die japanischen Samurais mit ihren schicken schwarzen Röcken – oder weiten Hosenröcken…
Das kann zweifellos sehr attraktiv sein und hat obendrein den Exotenbonus. Und auf die, gerade bei Schotten, üblichen frivolen Spekulationen, was sich denn nun unter dem Rock genau befindet, gehe ich gar nicht erst ein. Das sollte, genau wie bei Frauen, die Privatangelegenheit des Trägers sein!
Die Sache mit dem Sexappeal
Es ist schon bemerkenswert, wie sehr unsere Wahrnehmung von Männlichkeit und Weiblichkeit durch „angemessene“ Kleidung geprägt ist… Aber was ist angemessen? Ich persönlich finde grundsätzlich Menschen anziehend, die das tragen, was ihnen gefällt und damit entspannt wirken… Je souveräner, desto sexier!
Das gilt auch für die die langen Hemden, die gnädig über die kritische Bauchregion bei übergewichtigen Männern hinwegfließen. Das kann lässig elegant wirken, sogar nobel – wie die Toga eines römischen Senators…
Stattdessen gibt es an allen Orten in der westlichen Welt, sei es bei einer amerikanischen Landwirtschaftsmesse, oder einem Volksfest in Europa häufig folgenden qualvollen Anblick: da glänzen schon mittags die Schweißperlen auf den Stirnen, die Schweißflecken dehnen sich bis zum Hosenbund aus und die Wampe quillt über dem Gürtel aus der Hose. Die Hemden spannen überm Bauch und rutschen oft hilflos irgendwann aus dem Bund und geben die speckige Pracht frei. Und noch schlimmer ist das Ganze dann mit kurzen Hosen – am besten noch mit den berüchtigten weißen Socken und Sandalen. Irgendwo, irgendwann ist da der Eros zwischen Bouletten und Bier auf der Strecke geblieben.
Das einzig positive, was man da sagen kann, ist, dass die dazugehörigen Damen ihren Eros ebenfalls längst eingebüßt haben und dies gerne durch grellen Nagellack, üppiges Schminken und selten schmeichelhafte Oberteile, die den Solariumsteint zur Geltung bringen sollen, kompensieren. Sie gehen mit sich und ihrem Äußeren also kaum weniger würdig um, als ihre Männer.
Aber hier geht es mir vor allem um die Männer und außerdem soll das keine Meckerorgie werden, sondern ein Ermutigungsplädoyer, endlich würdiger mit der eigenen Erscheinung umzugehen und sich nicht mehr unnötig einzuzwängen! Weder in zu enge Klamotten, noch in zu enge Konventionen!
Eine längst überfällige Entwicklung!
Ich würde es so gerne noch erleben, dass Männer in unserer Kultur mit gleicher Selbstverständlichkeit Röcke tragen, wie wir Frauen Hosen – ohne dabei an Männlichkeit einzubüßen. Im Gegenteil! Dafür gibt es schon viele schöne Beispiele:
Der Rebell
Jürgen Vogel, ein bekannter deutscher Schauspieler, spielt im Film Scherbentanz (D 2002) den Modedesigner Jesko – der vorzugsweise Röcke trägt und es steht ihm sehr gut! Ehrlich gesagt, sind dass die Bilder vom Film, die ich am eindrücklichsten in Erinnerung behalten habe!
Zur Stärkung des Selbstbewusstseins
Im Oktober 2012 wurde der deutsche Journalist und Autor Nils Pickert weltweit berühmt, weil er seinem damals fünfjährigen Sohn zuliebe ebenfalls einen Rock trug. Die Aufnahme von Vater und Sohn vor der historischen Kulisse einer deutschen Kleinstadt – Inbegriff des Spießertums – ging damals um die Welt und ist seit dem überall im Netz zu finden. Er selbst wirkt in seinem roten Rock dabei vollkommen natürlich und überhaupt nicht unmännlich. Gibt man die entsprechenden Stichworte ein, taucht das Bild sofort auf. Pickert tat und tut es, um das Selbstbewusstsein seines Sohnes zu unterstützen.
Das gewisse Etwas
Vor bald zwanzig Jahren war ich mal im Sommer zu einem Lagerfeuerevent eingeladen, bei dem wir alle zu später Stunde bei Trommelmusik barfuß ums Feuer tanzten. Es hatte was herrlich archaisch-heidnisches! Und einige der Männer trugen Röcke und wirkten nicht nur auf mich wesentlich anziehender, als jene in Shorts oder im Himmelskleid…
Barocke Vampire
Jungen und Männer, die Fans des „Goth Looks“ sind tragen gelegentlich schwere lange schwarze Röcke und dokumentieren dabei oft enorme stilistische Kreativität und modisches Geschick. Das finde ich eindrucksvoll und oft attraktiv – allerdings tue ich mich mit ihrer Obsession für das Dunkle, Schwarze, Schwere, Todesnahe und Morbide eher schwer. Aber hey, man kann auch Fußbälle schön finden, ohne Sportfan zu sein!
Der Klerus sowieso
Und für jene, die jetzt vielleicht spekulieren: nein, ich stehe nicht auf Pfarrer und Mönche in ihren langen Gewändern – auch wenn das durchaus attraktiv sein kann – so ist doch meist der Kerl der drin steckt schwerstens darum bemüht, seine Männlichkeit seiner Funktion unterzuordnen. Allerdings hat genau dieses Spannungsfeld gerade bei Katholiken schon einige Menschen mächtig angemacht. Nicht zuletzt ist dies ein wesentlicher Aspekt des australischen Melodrams „Die Dornenvögel“ von Colleen McCollough, der 1977 mit Richard Chamberlain als Kardinal Bricassart und Rachel Ward als seiner Meggie fürs Fernsehen verfilmt wurde.
Berlin als Trendsetter
In Berlin-Friedrichshain sind lange schwarze Röcke an Männer schon keine Seltenheit mehr. Gelegentlich wurde aber auch schon das eine oder andere Rüschenmodell oder ein enger pinker Minirock gesichtet. Kommt – wie, bei den Damen auch, natürlich auf den Träger an. Erfreulicherweise sind Männerröcke zunehmend im Trend. Und übrigens erfreut sich auch das Tragen von High Heels unter Herren immer größerer Beliebtheit. Zugegebenermaßen sind viele davon homosexuell mit besonderer Freude an Femininem oder Transgender-Männer…aber eben nicht nur! Sie haben einfach Spaß dran – und je nach Styling wirkt selbst das nicht unbedingt unmännlich…
Auch längst bei Wikipedia
Und im Zuge meiner Recherchen für diesen Artikel, stellte ich fest, dass es tatsächlich auch einen Wikipedia-Eintrag zum Thema gibt. Dem deutschen Artikel habe ich auch entnommen, dass die britische Universität von Oxford ihre Kleiderordnung erweitert hat. Seit 2012 können bei Examina oder formalen Anlässen Männer in Röcken und Strumpfhosen und Frauen in Anzug und Krawatte erscheinen!
Am besten natürlich: coole Kerle in coolen Röcken
Der Gipfel ist natürlich ein cooler Typ in einem coolen Rock. Hier sind ein paar aktuelle Beispiele Und auf dieser Seite kann der Herr problemlos Modelle nach seinem Geschmack bestellen. Das heutige Titelbild kommt von dort.
Obiges Bild ist der dazugehörigen Amazonseite entnommen, wo eine ganze Menge dieser Röcke zur Auswahl stehen und also offensichtlich auch gekauft werden!
Doch auch ein weniger cooler Typ – würde ganz sicher in einem Rock (besonders, wenn er gut geschnitten ist) würdiger und attraktiver aussehen, als in einer Hose mit Gürtel – oder gar Hosenträgern, die manchmal qualvoll in die Leibesfülle einschneiden. Und genau wie bei uns Damen, wenn die Beine „es“ nicht hergeben, einen kurzen Rock zu tragen, kann auch ein Mann einen Rock in passender Länge wählen! Ansonsten schützt natürlich auch ein Rock nicht vor schlechtem Geschmack oder unschmeichelhaftem Kleidungsstil – aber ich wage zu behaupten, dass das Risiko etwas geringer ist, als bei Hosen… Natürlich bin ich gerne bereit, mich diesbezüglich eines Besseren belehren zu lassen! Denn, wenn in unserem Straßenbild Männer in Röcken mit der gleichen Häufigkeit anzutreffen sind, wie Frauen in Hosen – egal, wie gut oder schlecht der Look…
…dann sind wir sicher auch mit der Gleichberechtigung und der Balance der Geschlechter ein großes Stück weiter!
Nachtrag, Juni 2018
Mode ist Freude, nicht Gender
Das ist das Motto von Markus Muth, der mir dieser Tage eine wunderbare Email zum Thema schrieb. Er trägt mit großem Chic Frauenkleidung und bleibt dabei immer sein höchst männliches Selbst. Da er und seine Frau die gleiche Größe haben, tauschen sie fröhlich ihre Kleidung (sie meiden Markenkleidung lieben Second-Hand und Flohmärkte) und sie bremst seine Experimentierfreude schon mal zugunsten von mehr Eleganz oder Stil. Hier die gelungenen Ergebnisse: https://www.modemuth.de/