Die ganze Idee von Balance wird erst sinnhaft, wenn man sich klar darüber ist, was eigentlich in Balance gebracht werden soll. Stellen wir uns eine Wippe vor. Und wahrscheinlich sind wir uns einig, dass wenn die Wippe absolut waagrecht steht, die optimale Balance erreicht ist. Dann stellt sich die Frage, was an die gegenüberliegenden Enden der Wippe muss, damit die Balance hergestellt werden kann. An das eine Ende einen Apfel und ans andere Ende eine Briefmarke zu legen, wird das Apfelende zum Boden drücken… Doch wenn man statt der Briefmarke einen Kasten Bier stellt, dann rauscht das andere Ende zu Boden und der Apfel kullert davon.Vielleicht müsste man dann ein paar Kilo Äpfel holen. Doch lassen wir besser dieses unsinnige Unterfangen…
Zumindest ist jetzt klar, dass Dinge, die in Balance gebracht werden sollen ein gewisses Verhältnis zueinander haben sollten. In meinem Blog liegt der Fokus vor allem auf dem, was wir gemeinhin als männlich und weiblich bezeichnen. Und so einfach das anfangs klingt, so kompliziert kann es auch werden:
Männlich und weiblich sind zunächst einmal unsere Worte, um unsere Geschlechtsmerkmale zu differenzieren. Männer und Frauen nehmen sich im Allgemeinen als gegensätzlich wahr. D.h. der andere ist, was sie nicht sind, nämlich männlich bzw. weiblich. Tatsächlich sind diese Worte auch hilfreich geworden, um andere Gegensätze zu charakterisieren. Mal mehr, mal weniger plastisch: in der Elektrik wird gar vom männlichen und weiblichen Stecker eines Kabels gesprochen…
Nur zusammen sind wir stark!
Damit geht auch der schöne Gedanke einher, dass die Energie erst fließt, wenn sich beide Gegensätze verbinden können und außerdem gut ans Gesamtnetz angeschlossen sind. Wenn man nur den einen Stecker in den anderen steckt, passiert nämlich gar nix!
In unserer Kulturgeschichte sind die Begriffe außerdem zu qualitativen Konzepten geworden. Mit ihnen wird ein bestimmter Ausdruck – meist gefühlsmäßig – entsprechend wahrgenommen. Zum einen, weil wir über Jahrtausende irgendwie darauf konditioniert sind. Zum anderen, weil wir zwar unerklärlicherweise, aber eindeutig fühlen können, ob etwas stimmt oder nicht. So käme keiner auf die Idee, ein Schneckenhaus als männlich zu bezeichnen und eine Wolkenkratzer als weiblich. Es ist – natürlich – umgekehrt… Hier ist es nahe liegend – das steil aufrechte Gebäude erinnert an das männliche Glied, das runde Schneckenhaus an die weiblichen Geschlechtsorgane. Aber die Verknüpfungen bilden ein größeres Netz: harte, starre, feste Materialien werden mit dem Männlichen assoziiert. Weiche, biegsame, bewegliche Stoffe mit dem Weiblichen… Entsprechend schlüssig ist die Übertragung der Qualitäten auf andere polare Erscheinungen, wie Sonne und Mond, Himmel und Erde, Hitze und Kälte und links und rechts… Außerdem auch Dynamiken, wie detailliert und umfassend, verstehen und fühlen, Bewegung und Stillstand…
Yin & Yang
Das ausgereifteste und vielleicht schönste Konzept wurde im alten China entwickelt. Es ist der dynamische Tanz des energetischen Gegensatzpaares Yin und Yang. Dieser ist die Grundlage des Daoismus, der traditionellen chinesischen Medizin und für Feng Shui. Das berühmte Symbol dafür ist sehr bekannt. Auch wenn seine Bedeutung oft stark vereinfacht wird. Denn genaugenommen sind die Übergänge von Ying und Yang oft fließend, und die Qualität relativ. Was in einem Zusammenhang yin ist, kann in einem anderen yang sein. Etwa vergleichbar mit Licht und Dunkel und den unendlichen Abstufungen dazwischen. Was im einen Kontext grell und blendend ist, kann in einem anderen matt und erhellend sein.
Typische Qualitäten die yin zugeschrieben werden sind: weiblich, sowie: rund, dunkel, feucht, passiv… Und für Yang: männlich, sowie: eckig, hell, trocken, aktiv… Auch diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Und so verschieden die beiden Qualitäten sind, so bilden sie doch ein gemeinsames, unzertrennliches Ganzes. Denn das eine ist nicht vorstellbar, denkbar, lebbar ohne das andere.
Damit drückt das Yin-Yang Symbol das Eine aus, das aus zwei Gegensätzen besteht…in fraktaler Fortsetzung.
Im großen, wie im Kleinen – physisch und psychisch. Es gehört zu den populärsten Symbolen der Dualität. Sollten wir Menschen diese tatsächlich je überwinden, wird vielleicht ein anderes Symbol populär werden. Möglicherweise eines, das die Verschmelzung von männlich-weiblich und die Transzendenz des bisherigen zum Ausdruck bringt. Für mich persönlich entspricht dem die Vesica.