Meine erste Muppetshow habe ich vermutlich 1977 gesehen. Da war ich elf Jahre alt. Von da an war ich Miss Piggy Fan.
Einmal Miss Piggy, immer Miss Piggy
Weil ich im Rheinland aufwuchs, wo jedes Jahr der Karneval groß gefeiert wird, wurde ich von da ab jedes Jahr zu Karneval eine Teenie-Version von Miss Piggy. Jedes Jahr montierte ich liebevoll gebastelte Schweineohren an ein Haarband im langen blonden Haar. Dann klemmte ich einen Schweinerüssel mit rosa gefärbtem Gummiband über meine Nase hinter meinen Ohren und befestigte mittels einer Sicherheitsnadel ein rosa Ringelschwänzchen aus Schaumstoff an einem ausrangierten Abendkleid meiner Mutter. Dazu ein geräuschvolles Schnauben und ein spitzes „Moi“ statt einem „ich“ und ich konnte meine alljährliche Huldigung meines Lieblingsschweins lustvoll beginnen.
Weiblichkeit von einem Schwein lernen…
Denn: Miss Piggy ist eine vollendete Dame und trotzdem herrlich unerzogen. Sie ist vielleicht die inspirierendste Diva der Welt. Und ja, sie liebt einen Frosch. Kleiner, leiser, schmächtiger, zarter als sie… Als ob eine Walküre ihr Herz an einen Elf verloren hätte. Ihm gilt ihre ganze üppige Liebe. Inklusive seiner quietschgrünen Filzhaut und Schwimmhäuten, wie es eben seine Natur ist. Für diesen Prinzen wird sie gerne mal zur furiosen Queen – da folgt sie kompromisslos ihrem Herzen. Auch über zoologische Grenzen.
Dass sie jetzt einen Preis für feministische Kunst gekriegt hat, ist mehr als stimmig – obwohl sie mehr das Kunstwerk als die Schöpferin ist. Sie ist das Produkt des vielleicht raffiniertesten und rührendsten Drag-Acts der Welt. Denn hinter Miss Piggy stecken in Wirklichkeit männliche Puppenspieler und männliche Sprecher…!
…das von einem Mann gespielt wird
Diese geglückte Vereinigung von männlichen und weiblichen Qualitäten ist seit mehr als vier Jahrzehnten bezaubernd. Und außerdem genauso alterslos wie die aggressive Weiblichkeit, die sie auf manchmal buchstäblich umwerfende Weise zum Ausdruck bringt. Miss Piggy hat nie ein Problem damit, Miss Piggy zu sein. Und mit diesem zweifelsfreien Wissen um das Weib im Schwein, liefert sie auf ihre einmalige Weise einen wertvollen Beitrag zur weiblichen Identität in unserem Medienzeitalter.
Insofern finde ich es besonders angemessen, dass mit ihrem Preis gerade auch die Frau in diesem Tier gewürdigt wird. Es gibt mir umgekehrt das Gefühl, dass damit in gewisser Weise auch die Tiere in uns Frauen gewürdigt werden!
Lang lebe Miss Piggy, die vielleicht dramatisch wirksam mit ein bisschen Übergewicht zu kämpfen hat, aber sicher nie mit Alterungserscheinungen!